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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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fehlerhaften Englisch. »In Spanien kommen solche Spinnen eigentlich überhaupt nicht vor. Zumindest bisher nicht. Offenbar haben ein paar Idioten sie aber eingeschmuggelt und an noch größere Idioten verkauft, denen sie entwischt ist. Really strange .«
    So seltsam war das allerdings auch wieder nicht: Wie mir die frühere Nummer Drei damals erzählte, hatte unsere FIRMA genau dieses Gerücht in die Welt gesetzt, um das tödliche Gift von Zeit zu Zeit einsetzen zu können – dasselbe, mit dem ich im Louvre den Bewunderer der ›Mona Lisa‹ getötet hatte.
    Arregui gab sich damit jedoch nicht zufrieden und wollte absurde Dinge von mir wissen, etwa ob der Tote, der ein revolutionäres, für alle Welt erschwingliches Betriebssystem entwickelt hatte, ein wahres Informatik-Genie, mir gegenüber von irgendwelchen persönlichen Feinden gesprochen hatte. Danach schien er die ganze Angelegenheit aber schnell zu vergessen und lud mich sogar noch auf einen Kaffee in die Bar des Hotels ein.
    Er vergaß sie nicht.
    Der Anlass für unser zweites Aufeinandertreffen war nämlich ebenfalls eine Spinne. Das war vor zwei Jahren, in der Madrider Zentrale eines multinationalen Pharmakonzerns, und ich war Juanito Pérez Pérez und verabschiedete mich gerade auf der Chefetage vom Vertriebsleiter, als der Generaldirektor zehn Meter weiter mitten auf dem Flur zusammenbrach und augenblicklich mausetot war. Damals bestätigte sich, dass Kommissar Arregui wirklich nicht dumm war. Während ich mich insgeheim noch dazu beglückwünschte, eine Stunde vorher die Giftampulle und die Nadel, mit der ich den Generaldirektor auf der Toilette beim gemeinsamen Griff zum Seifenspender gestreift hatte, im Klobecken hinuntergespült zu haben, nahm ich mir vor, mehr über Arregui herauszufinden.
    Ich sollte ihn schon vier Tage später wiedersehen, als er mich ein zweites Mal um die genaue Schilderung meines Besuchs in dem Konzern bat, insbesondere die Minuten nach dem Aufschrei des Generaldirektors und seinem Sturz, er wäre dankbar für jedes noch so kleine Detail, an das ich mich erinnern könnte …
    »Seltsam, Señor Pérez, wirklich seltsam«, sagte er damals zu mir. »Wissen Sie, er starb am Biss einer afrikanischen Giftspinne. Und seit zwei Jahren fahnde ich nach exakt dieser besonderen Spezies. Ich befrage Zoohändler und Zollfahnder, setze allen uns bekannten illegalen Tierimporteuren zu, löchere Kollegen im ganzen Land, ob bei ihnen eine Anzeige eingegangen ist, die beweist, dass sie nach Spanien eingeschmuggelt worden sind … Fehlanzeige. Niemand hat je auch nur ein einziges Exemplar gesehen. Und doch sterben reihenweise Leute an ihrem tödlichen Biss. Und zwar nur wichtige Leute. Nie ein armes Schwein, ein andalusischer Landarbeiter oder ein Sonntagsausflügler. Ausschließlich VIPs. Wirklich wählerisch, diese Spinnen.«
    Daraufhin entschied man sich in der FIRMA dafür, diese Methode aus unserem Katalog zu streichen. Das hatte mir die alte Nummer Drei glaubhaft versichert.
    Und jetzt, genau zwei Jahre später, läuft mir Arregui wieder über den Weg. Er wird sich an Juanito erinnern. Da bin ich mir sicher. Dieser Kommissar gehört zu den gefährlichen Ermittlern.
    War es ein Fehler, ihn damals nicht umzubringen? Vielleicht. Falls man den Verdacht hat, dass jemand einem auf die Schliche kommt, darf man ihn nur umlegen, wenn die FIRMA das auch erlaubt. Aber natürlich kann man es auch hinter ihrem Rücken machen; die alte Nummer Drei hatte das hin und wieder getan, wenn es ihm zu brenzlig wurde. Aber ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen. Zwar beschattete ich Arregui vorsichtshalber und erforschte seine Gewohnheiten, doch ließ ich ihn leben. Denn irgendwie schloss ich ihn in mein Herz.
    Er war schon ein komischer Kauz. Eine Mischung aus Schläger und feinsinnigem Poeten, den seine Vorgesetzten nur duldeten, weil er mehr Verdienstorden hatte als jeder General. Als vielversprechender junger Polizist war er Mitte der 70er Jahre in die Universität eingeschleust worden, um subversive Elemente unter den Studenten aufzuspüren. Er spielte seine Rolle als Student der Geisteswissenschaften so gut, dass er während seines Studiums fast niemanden verpfiff und mit summa cum laude abschloss. Das letzte Mal, dass ich ihn beschatten ließ, gab er neben seinem Polizistenjob Literaturkurse an einer Privatuni und bot in einem Arbeiterviertel kostenlose Schreibwerkstätten und Boxunterricht für Jugendliche an, um sie so auf den rechten Weg

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