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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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Ablenkungsmanöver nicht begreift, meine Kinder hingegen schon, denn während einer der Drehungen sehe ich aus den Augenwinkeln, wie Antonio seine große Schwester hinter sich herzieht. Camilleri starrt mich hingegen wie hypnotisiert an, sodass ich, während ich Sofía mit der einen Hand einen Kinnhaken verpasse, ihm mit der anderen bedeute, schleunigst Fersengeld zu geben, und endlich reagiert er und läuft hinter den Kindern her zu der Stelle, von wo aus man den Felsen hinunterklettern kann. Noch ein Hieb, ich tue ihr nicht sonderlich weh, aber ihr Zorn wächst, und solange sie nur daran denkt, mich umzubringen, wird sie die Flucht nicht bemerken. Nur noch ein paar Sekunden muss ich durchhalten, die Kinder klettern schon nach unten, und so verpasse ich Sofías linker Brust einen gewaltigen Faustschlag, der ihr jedoch nichts auszumachen scheint. Nicht einer meiner Hiebe scheint ihr weh zu tun, aber Camilleri ist zum Glück schon fast in Sicherheit. Jedoch nur fast, denn in diesem Moment rappelt sich Sven auf und rennt hinter ihnen her, während die Ungarin mein Schienbein mit wütenden Tritten traktiert. Mit beiden kann ich es nicht aufnehmen, nicht unter diesen Bedingungen, die Rettung der Kinder hängt von Camilleri ab, das heißt, sie sind verloren – doch nein, der Professor muss die Tasten meines Schnappmesser-Handys betätigt haben, denn jetzt schnellt er herum und schlitzt mit einer einzigen Bewegung dem Schweden die Kehle auf, sodass dieser augenblicklich zu Boden stürzt und diesmal für alle Ewigkeit liegen bleibt. So wird es mir auch bald ergehen, ich sehe nur noch einzelne Standbilder, garniert mit den Sternen, die Sofías Handkantenschläge vor meinen Augen tanzen lassen, aber das ist nicht so wichtig, denn die Kinder und der alte Mann werden in wenigen Minuten bei Arregui sein, und bis dahin muss ich Zeit schinden und auf Sofía einschlagen, was sie nur noch mehr in Rage bringt. Ihre Faust sucht mein verbundenes Auge, sodass ich mich zur Seite drehe, meine Schläge so aber kaum noch effektiv sind. Zudem bin ich es einfach müde, nicht wegen dieses Kampfes, sondern wegen aller bisherigen Kämpfe in meinem Leben, ich bin es müde, nur zum Töten gut zu sein und nie zum Leben, ich bin es müde, hinter allen meinen Masken bloß Juanito Pérez Pérez zu sein. Als Sofía merkt, dass ich am Ende meiner Kräfte bin, streckt sie mich mit einem letzten Fausthieb nieder, sodass ich in die Knie gehe, und läuft dann mit Triumphschrei dahin, wo Camilleri das Messer-Handy hat fallen lassen.
    »Meinst du, das war’s?«, zischt die Ungarin, ohne noch ihren Akzent zu überspielen, als sie damit langsam auf mich zukommt. »Ich scheiß auf den Auftrag, ich bring dich um. Erst dich, und dann deine Kinder.«
    Genüsslich erzählt sie mir dann, wie sie sie zu Tode foltern will, und dass sie mich schon seit unserer ersten Begegnung kaltmachen wollte, bloß noch nicht durfte. Aber jetzt werde sie es tun, und das auch ohne Bezahlung.
    Ich habe den Kopf und die Fäuste benutzt. Es hat mir wenig geholfen. Deshalb wäre es der früheren Nummer Drei zufolge jetzt an der Zeit, die Eier zu benutzen, doch stattdessen flehe und wimmere ich um Gnade. Vom Boden aus sieht Sofía ziemlich imposant aus. Man sieht ihr an, dass sie sich für unbesiegbar hält. Und das ist ihr Verderben. Ich stütze mich auf meinem guten Bein ab, schwinge das verletzte gestreckt gegen ihr Standbein, was sie zum Straucheln bringt, sodass ich ihren anderen Fuß attackieren kann, während ich gleichzeitig die Arme hochreiße, um ihren Arm mit dem Messer zu packen, den ich als Hebel benutze. Ihr Ellbogen knackt beim Splittern, und wenn das hier einer von Camilleris Kriminalromanen wäre, würde Sofías Eigengewicht ihr jetzt im Fallen die Klinge in die Brust rammen, sodass sie sich in einem Akt poetischer Gerechtigkeit unfreiwillig selbst tötet. Aber das hier ist leider keiner seiner Romane, und so nutze ich das Trägheitsmoment ihres Körpers, um ihr das Messer in die Silikonbrust zu stoßen, die von Natur aus ganz klein war.
    Mit Fußtritten befördere ich sie dann an den Rand des Plateaus, von wo aus ihre Leiche in die Tiefe stürzt, natürlich nicht auf der Seite, wo meine Kinder hinuntergeklettert sind, sondern auf der anderen. Eine symbolische Handlung. Und dann wird mir schwindlig, ich kriege kaum noch Luft, weshalb ich mitten auf dem Plateau in die Knie gehe. Wenn Arregui meiner Bitte Folge geleistet hat, müsste er mit den Kindern und Leticia bereits

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