Wir toeten nicht jeden
eine schwarze Hose und einen Rollkragenpullover angezogen hat, weil er unbedingt wie ein erfahrener Dieb oder ein pensionierter, aber noch attraktiver Spion aussehen will. Seine weißen Haare und sein Gesicht scheinen in der Dunkelheit zu schweben, während wir leise und ohne Hast den Pfad zur Höhle hinaufsteigen.
Anfangs reagierte er entrüstet, als er erfuhr, dass sein Schlupfwinkel nicht ganz so geheim ist, wie er dachte, lobte dann aber Antonios Gerissenheit, mir verschlüsselt mitzuteilen, wo er und Leti gefangen gehalten werden, und regte sich über die Dummheit der Entführer auf; ja er hätte sogar beinahe laut gelacht, als ich ihm sagte, dass es vielleicht Killerpraktikanten wären, blutige Anfänger, die zum Mindestlohn angeheuert worden waren, um in den Sommerferien erste Erfahrungen zu sammeln. Das glaube ich zwar nicht, aber ich kann ihm nicht alles erzählen; ich vermute nämlich, dass jemand aus der FIRMA Mist gebaut hat. Jemand, der so weit oben steht, dass er die Sache zwar verschleiern kann, aber nicht mit den besten Killern, denn das würde den Oberbossen zu Ohren kommen. Jemand mit genügend Macht und Kaltblütigkeit, um dieses Spinnennetz um mich herumzuweben. Jemand wie Nummer Zwei. Und das ist keine bloße Vermutung, sondern eine Feststellung. Dieses Wissen verschafft mir einen weiteren kleinen Vorteil. Zwar nur einen unbedeutenden, aber immerhin.
Am Fuß des Felsrückens drehe ich mich noch einmal zu Camilleri um.
»Wissen Sie noch, was Sie zu tun haben, Professor?«
»Ja, es ist nicht so schwierig. Und das Risiko tragen ja Sie.«
»Nicht das ganze, wozu soll ich Ihnen was vormachen«, flüstere ich zurück und lege ihm dann mein Messer-Handy in die Hand. »Wenn’s brenzlig wird, drücken Sie die Tasten zwei, fünf und Sternchen, dann schnappt an der Seite eine Klinge heraus, mit der Sie sich verteidigen können. Aber stecken Sie es jetzt ein, nicht dass Sie die Telefone verwechseln.«
Wir lachen nervös wie vor einem Studentenstreich. Und dann bedeute ich Camilleri, hinter einem Baum zu warten, bis ich überprüft habe, ob sie jemanden als Wache postiert haben. Es ist jedoch keine Menschenseele zu entdecken. Am Ende hat Nummer Zwei tatsächlich Praktikanten angeheuert. Während wir so leise wie möglich zur Höhle hinaufklettern, vernehmen wir die hellen Stimmen meiner Kinder, vermischt mit tieferen, gereizt klingenden. Die Kinder hören sich nicht verängstigt an, wahrscheinlich raubt Leti ihren Entführern gerade den letzten Nerv, es sind jedoch nur noch wenige Minuten bis Mitternacht, sodass die Stimme mit dem ausländischen Akzent ihnen nun herrisch befiehlt, den Mund zu halten.
Kaum sind wir auf dem Plateau angelangt, bleibt Camilleri wie geplant etwa zehn Meter vom Höhleneingang entfernt stehen, während ich mich hinter einen Felsen ducke. So warten wir. Der Professor hat ein Handy in der Hand.
Das, dessen Nummer gerade jemand in der Höhle wählt.
Fünf Sekunden später klingelt es mit einer irritierenden Melodie, die in der Höhle widerhallt.
»Mama?!«, schreit Leti auf, die Leticias Klingelton wiedererkannt hat.
Genau das ist mein Plan gewesen, so simpel, dass er funktionieren könnte – und tatsächlich funktioniert.
Wenn ein blutiger Anfänger per Telefon Lösegeld einfordert, und das Handy, das er anruft, direkt vor dem eigenen Versteck klingelt, rennt er, dumm und unerfahren, wie er ist, hinaus, um nachzusehen. Völlig perplex bleibt Sven stehen, als er den alten Mann mitten auf dem Plateau entdeckt, aber noch mehr überrascht ihn der Schlag auf den Kopf, den ich ihm mit einem flachen Stein von hinten verpasse. Mit einem Aufschrei geht er zu Boden, und ich ziehe ihn schnell beiseite, denn schon taucht Sofía mit einer Pistole in der Hand auf, und sie auszuknocken wird sicher nicht so einfach werden wie bei dem Schweden.
Und in der Tat: Sie ahnt meine Gegenwart und dreht sich, aber mein Stein trifft zumindest ihre Waffe, wenn schon nicht die Hand, worauf die Pistole in einem hohen Bogen ein paar Meter weit wegfliegt. Wutentbrannt will Sofía sich auf mich stürzen, doch ich weiche zurück und tue so, als wolle ich fliehen. Mich trifft ein Schlag in den Nacken, der nur einen Tick zu schwach war, um mich zu Boden zu strecken, dennoch lasse ich mich mit einer halben Drehung fallen, sodass ich ihre Beine zu fassen kriege und sie so zu Fall bringe. Miteinander ringend wälzen wir über den Boden, weg vom Höhleneingang. Sie ist so aufgebracht, dass sie mein
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