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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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besser.«
    Der macht mich wahnsinnig.
    »Hör zu, wir hören wirklich nur ganz selten Platten. Und wenn, dann machen wir sie nicht sauber.«
    Er friert mitten in der Bewegung ein und starrt mich an, als hätte ich ihm gesagt, dass wir zum Scheißen auf den Balkon gehen. Ich muss vorsichtiger sein.
    »Na ja, wenn eine mal ganz staubig ist, geh ich halt mit dem Lappen drüber. Aber, hey, wir haben einfach nicht solche Schätze wie du.«
    Er dreht sich auf dem Absatz um.
    »Moment, bin gleich wieder da.«
    Ich rappele mich seufzend hoch und schaffe das nächste Bier heran. Ob er jetzt die Hifi-Polizei holt? Echt, was für ein Nerd. Aber ich muss einfach ganz fest an seine Jazzplattensammlung denken. Da ist doch das kleine bisschen Vorfeld-Stress nicht so schlimm, oder?
    Gerade als ich mich wieder über den Wunderkarton beugen will, kommt Ekkehart zurück. Er hält eine Pistole in der Hand. Mist! Ein Psycho! Und ich Naivling habe ihn in unsere Wohnung gelassen. Wahrscheinlich ködert der dauernd seine Opfer mit dieser Plattensammlung… Ich will nicht sterben! Auf jeden Fall nicht kampflos… Aber ich habe keine Chance. Um ihm die Bierflasche an den Kopf zu werfen, müsste ich erst mal ausholen, und in der Zeit macht der locker ein Sieb aus mir. Die Mündung zeigt direkt auf meinen Brustkorb. Was kann ich nur tun?
    Reden. Ich habe keine Ahnung von dem ganzen Polizeipsychologenkram, aber ich muss es versuchen.
    »Hey, Ekkehart, komm, das war natürlich nur ein Scherz. Natürlich reinigen wir unsere Platten jedes Mal mit einer Dings, äh, Karbonbürste. Die ist mir nur gestern kaputtgegangen. Nur kurz runtergefallen und, was soll ich sagen, sofort der ganze Karbon ausgelaufen. Empfindlich sind die Dinger…«
    »Ich habe meine mitgebracht.«
    »Wunderbar, wunderbar. Und, hm, nicht, dass es mich etwas anginge… aber wozu brauchst du die Knarre?«
    »Die Antistatikpistole? Die dient zum Neutralisieren der statischen Aufladung einer Schallplatte. Das vermeidet unnötige Knistergeräusche.«
    »Ah, so so.«
    Schon seltsam, wenn man in gerade mal einer Stunde zwischen so extremen Gefühlszuständen wie Euphorie und Todesangst hin- und hergeworfen wird. Ich fühle mich auf einmal sehr müde und sehe Ekkehart teilnahmslos dabei zu, wie er die Platte reinigt und anschließend mit der Antistatikpistole erschießt. Danach passiert das, was ich schon gar nicht mehr für möglich gehalten habe: Die Nadel wandert in die Rillen, und die ersten Takte von My Foolish Heart erklingen. Oh ja. Dieser zärtliche Anschlag. Ich könnte ihn unter tausend Pianisten blind heraushören…
    »Moment.«
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«
    »Habt ihr die Anlage ausgephast?«
    »Ausge-wast?«
    »Ausgephast. Ich vermute, das habt ihr nicht. Wenn du erlaubst, machen wir jetzt mal ein kleines Experiment.«
    Er steht auf, bedient den Tonarmlift, schaltet den Verstärker aus, geht zur Steckdose, zieht den Netzstecker heraus und steckt ihn andersherum wieder rein.
    »Hey, jetzt verarschst du mich aber, Ekkehart.«
    Er sagt nichts und schaltet einfach wieder ein. Die Nadel findet erneut in die Rille. Jetzt aber. Ich summe im Kopf den Text mit.
     
    The night is like a lovely tune
    Beware, my foolish heart
    How white the ever constant moon
    Take care, my foolish heart
    There’s a line between love and fascination…
     
    Da kommen mir die Tränen. Jeder Ton ein zärtlicher Stupser am Herzen. Jedes Nachklingen ein Seidentuch, das mir übers Gesicht streift. Jede Pause ein prächtiges Foyer, das mich auf den Eintritt in die nächste Kammer des reinen Gefühls einstimmt. Nur ein paar sparsame Klaviertöne, nur ein paar Filzhämmerchen, die ein paar Stahlsaiten anschlagen, und doch so viel Inbrunst, so viel Wärme… ja, so viel Gesang. Nicht mal Pavarotti…
    »Hörst du, Lukas? Die Höhen. Viel besser gestaffelt. Ich meine, das ist und bleibt zwar nur eine schrappelige Live-Aufnahme, und eure Nadel, wie gesagt, hrrrhäm, und trotzdem – man hört es. Nicht wahr?«
    »Hmhm.«
    »Und der Bass klingt auch akzentuierter. Und das bei dieser primitiven Aufnahmetechnik. Soll noch mal einer sagen, dass Ausphasen nichts bringt. Ganz einfache Maßnahme, kostet nichts und man ist klanglich sofort in einer anderen Welt. Momentchen, ich markiere das gleich mal an eurem Stecker, damit den keiner mehr verkehrt herum… Hast du irgendwo Klebeetiketten?«
    Wenn er jetzt nicht gleich die Klappe hält… Nein, ich darf ihm keine ballern. Er ist wertvoll.
     
    * * *
     
    »Was

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