Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
Vom Netzwerk:
ja viele nicht wissen, kurz nach diesen Aufnahmen kam Scott LaFaro, also Bill Evans’ Bassist, den du hier die ganze Zeit hörst, bei einem Autounfall ums Leben. Ein Drama. So brillant und gerade mal 25 Jahre alt, verstehst du? Okay, du kannst jetzt sagen, Charlie Parker, kannst du sagen, der ist auch jung gestorben. Aber, und das ist der Unterschied, der war immerhin 35. Das waren die entscheidenden zehn Jahre. Mozart übrigens auch: gerade mal 35 geworden. Kein Alter um zu sterben, kannst du sagen, aber genug Zeit für ein Genie, um die Welt zu erschüttern. Und LaFaro hatte gerade erst damit angefangen. Hörst du? Grundtöne, Walking Bass – der scheißt einfach auf die Tradition. Da! Dumdudum, dumdudum, dudududummm, dumdum… Und, das kann ich dir schwören, der war noch nicht einmal annähernd auf dem Zenit seiner Schaffenskraft. Stell dir einfach mal vor, Pelé wäre schon kurz nach der WM 1958 abgenippelt. Alles klar? Hm, mir fällt gerade ein, da könnt ich mal einen Essay drüber schreiben: ›Wenn Scott LaFaro so alt wie Charlie Parker geworden wäre‹. Das wäre doch eine Super-Überschrift, oder? Da denken die Leser dann…«
    »Lukas, hör auf, auf den armen Mann einzusabbeln, der schläft.«
    »Huch, Ines, hab dich gar nicht reinkommen hören.«
    »Ich dachte, du schläfst auch schon. ‘n Abend. Wer ist das?«
    »Hm? Ach ja, das ist unser neuer Nachbar. Ist gerade unter uns eingezogen.«
    »Hat er dich darum gebeten, dass du ihn darüber aufklärst, wie alt Karl-Heinz Parker geworden ist?«
    »Nun ja…«
    »Ich finde, wir sollten gerade bei dem Nachbarn, der direkt unter uns wohnen wird, nicht riskieren, dass er uns von Anfang an hasst, aber wenn du das anders siehst…«
    »Moment mal. Das hier ist seine Plattensammlung. Da kann ich ja wohl davon ausgehen, dass er sich auch dafür interess…«
    »Oh ja, stimmt, man siehts an seinem Gesichtsausdruck.«
    »Hey, das ist nicht fair. Er hat mich dafür vorher mit Hifi-Nerdkram zugetextet.«
    »Klar, Auge um Auge. Interessant, welche archaischen Verhaltensmuster immer wieder mitten in der Moderne durchbrechen…«
    »Übrigens, du wirst es nicht glauben, wenn ich dir sage, wie er heißt.«
    »Du willst zwar nur ablenken, aber gut.«
    »Ekkehart Stöckelein-Grummler.«
    »Nein.«
    »Doch, Ekkehart Stöckelein-Grummler.«
    Ines hat sich, noch in ihrem eleganten grauen Wintermantel, zu mir auf die Sofa-Armlehne gesetzt und betrachtet ihn versonnen. Ekkehart ist tatsächlich in die erste Tiefschlafphase abgerutscht. Muss ich ihn morgen noch mal fragen, an welcher Stelle er ausgestiegen ist…
    »Irgendwie ist er ja süß, wie er da so schläft.«
    »Irgendwie schon, ja.«
    »Komm, wir decken ihn zu, Lukas.«
    »Die Brille sollten wir ihm auch abnehmen.«
    »Und noch ein Glas Wasser, falls er Durst kriegt.«
     
    * * *
     

Tagebuch Ekkehard Stöckelein-Grummler
 
11.01. / 12:15 Uhr
Magda hat mich tatsächlich vor die Tür gesetzt. Eine unfaire Maßnahme. Wenn ich entscheide, dass ich nach den vielen Jahren mit dem Thorens JD 850 (der natürlich unbestreitbar seine Qualitäten hat) nun auf einen wirklich hochklassigen Plattenspieler umsteigen möchte, dann ist das mein gutes Recht. Habe lange dafür gespart. Kann ihre Empörung nicht verstehen. 20.553 Euro für einen Transrotor Tourbillon mit Tonarm ist ein Freundschaftspreis. Meines Erachtens keine Diskussion erforderlich. Bleibe bei meiner Weigerung, Bestellung zu stornieren. Leider können immer noch weder Hifi-Studio noch Transrotor-Vertrieb klare Auskunft zu Liefertermin geben.
Sehr schwierige Situation. Meine Hifi-Kette ist ohne Plattenspieler! Will Magda nicht fragen, ob sie mir den Thorens vorübergehend leiht. Ist ein emotionsbelastetes Erbstück. Will sie sowieso um nichts mehr bitten. Stehe jetzt auf eigenen Füßen und lasse mir den Wind um die Nase blasen. Mögliche Zwischenlösung ist aber bereits in Sicht (siehe weiter unten).
 
Umzug in Novalisstraße machte mehr Mühe als vorgesehen. Karlchen fiel aus (schlagartig auftretende starke Rückenschmerzen, einhergehend mit Unfähigkeit, sich wieder aufzurichten, Diagnose noch ausstehend). Erhielt zum Glück Hilfe von freundlichen Nachbarn namens Lukas Fink. Sind bereits per du. Lukas scheint Interesse an Hifi zu haben, jedoch wenig Fachwissen. Wirkt aber offen und lernwillig. Hifi-Kette in Wohnung von Lukas und seiner Frau Ines setzt sich wie folgt zusammen:
Plattenspieler: Technics SZ-Q3 (stark abgenutzte Nadel!)
Vollverstärker: Kenwood

Weitere Kostenlose Bücher