Wir tun es für Geld
drei.«
Ich muss mir dann zwar immer überlegen, was ich aus dem Zeug kochen soll, aber wenn ich erst mal ein Rezept im Internet gefunden habe, macht es meistens richtig Spaß. Und sobald ich sicher bin, dass es gelingt, schicke ich Ines eine SMS mit »Candlelightdinner«. Sie smst mir die Uhrzeit zurück, zu der sie zu Hause sein wird. Ich koche dann präzise à la minute. Wird oft recht spät, aber macht ja nichts. Die Nachtmahle tun unserer Ehe jedenfalls sehr gut.
»Können Sie mir nachher geben«, wehrt Frau Kohlmeyer meinen Griff zur Geldbörse ab. Ich halte ihr die Tür auf.
»Und haben Sie übrigens schon den neuen Mieter kennengelernt, der unter Ihnen eingezogen ist, Herr Fink?«
»Sie meinen Herrn Stöckelein-Grummler? Oh ja, habe ich. Sehr angenehmer Mensch. Und soweit ich gesehen habe, trägt er auch keine lauten Holzklappern als Hausschuhe wie früher Herr Klöbenbeck.«
* * *
Nach der öden ersten Stunde Herrenunterwäsche (ich habe nur eine Mittfünfzigerin beraten, die zwar den beachtlichen Bauchumfang, aber nicht die Unterhosengröße ihres Mannes kannte) schleiche ich mich kurz ins Büro und fische mir ein Putenschnitzel-Rezept aus dem Internet. Anschließend schlüpfe ich zu den Lebensmitteln und besorge die Zutaten. Herr Bilgenhorst berät mich beim Rotwein. Das ist gut. Er ist hier wirklich schon in jede einzelne Flasche reingekrochen. Kann man an seiner Nase sehen. Er ist der einzige Verkäufer, der sich nichts auf den Kopf schnallen müsste, damit man seine Abteilung errät. Vorbildlich.
Ich verstaue meine Einkäufe in meinem Spind und gehe noch einmal ausgiebig aufs Klo. Anschließend mache ich ein weiteres Experiment zu meinem Forschungsprojekt »Welches ist der umständlichste und zeitraubendste Weg in die Herrenunterwäscheabteilung?«.
Was Vanessa jetzt wohl macht? Dass Paris Hiltons Abenteuer sie mehr interessieren als die sensationellste Jazzplattensammlung der ganzen Stadt, ist natürlich traurig. Andererseits habe ich ihr auch nicht richtig zugehört, als sie mir die Kosmetiktipps von Carla Bruni vorgelesen hat. Wir sind halt in einigen Dingen sehr verschieden. Damit müssen wir leben…
»Sagen Sie, können Sie mir einen guten Rotwein empfehlen?«
Oh nein.
»Aber natürlich, mein Herr. Was sind denn Ihre Vorlieben? Baumwolle? Feinripp? Mit Eingriff?… Ups, Sie müssen entschuldigen, ich bin nämlich eigentlich aus einer anderen Abteilung, aber kein Problem, nur einen kurzen Moment.« Augen schließen, Kopf heftig schütteln, dabei die Backen wackeln lassen und Geräusche machen. »Tadaaa! So, jetzt bin ich auf Lebensmittel umprogrammiert. Also, Rotwein. DIN A4? DIN A5? Liniert?… Oh, da ist was schiefgegangen. Kann passieren, wir sind ja hier schließlich mitten in der Schreibwarenabteilung, aber ich krieg das hin, Momentchen.« Noch mal die gleiche Show, nur noch etwas länger und mit zusätzlichen Piepgeräuschen. »Ah, jetzt. Rotwein? Kommt sofort. Wir stehen zwar wie gesagt in der Schreibwarenabteilung, aber Sie kennen meine Fähigkeiten nicht.« Ich strecke beide Arme von mir und blicke starr nach vorne. »Ich breite meinen Geist aus. Er dringt durch die Betondecke in das Geschoss unter uns. Ich sehe die Lebensmittelabteilung… Oh, und ich sehe ein großes, zum Bersten gefülltes Weinregal. Ich dringe in das Weinregal ein, durch die Wände der Flaschen… Pssst, ganz leise… Ja! Ich habe ihn gefunden. 2006er Nero d’Avola, nur 7,95 die 0,75-Liter-Flasche… Pssst, Moment, ich sehe noch mehr. Bei Metzger Rübenacker sind heute Putenschnitzel im Angebot. Wirklich gut. Zart, saftig und ein Geschmack, sage ich Ihnen… Daraus machen Sie dann mediterrane Putenrouladen. Das perfekte Essen zu dem Wein. Hier haben Sie das Rezept. Konnte ich Ihnen weiterhelfen?«
Der Mann starrt mich sehr lange an.
»Alles in Ordnung? Ein Stuhl? Ein Glas Wasser?«
»Äh, nein, danke.« Er holt einen Stift aus der Tasche.
»Also, Nero Tavalu für 7,95, und wie hieß noch mal der Metzger?«
* * *
Ich warte auf den empörten Anruf meines Chefs, aber er kommt und kommt nicht. Wahrscheinlich hätte ich dem Rotwein-Kunden lieber sagen sollen, dass er zu seinem Nero d’Avola vorgegrillte rumänische Heuschreckenschenkel kaufen solle, und dass man die nur in der geheimen Gourmet-Verkaufsstelle im Raucherraum von Connys Bierquelle bekäme.
Frau Kohlmeyers Putenschnitzel liegen vor mir auf dem Küchentisch und warten darauf, sich unter meinen Händen in mediterrane
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