Wir tun es für Geld
die Teller auf den Tisch gestellt und die Kerzen angezündet. Was ich am Herd bin, ist sie beim Tafel-Dekorieren. Wären wir uns in einem anderen Leben begegnet, hätten wir vielleicht zusammen ein Restaurant eröffnet.
Ekkehart wühlt noch mal in den Platten.
»Zum Essen könnten wir ja jetzt diese Tomorrow Is the Question! hören, Lukas. Das ist immerhin eine Studioaufnahme, wie ich sehe. Da können wir vielleicht noch weitere Schwachpunkte eurer Anlage erlauschen.«
»Bloß nicht! Das ist nur was für, äh… Kenner.«
Ich sehe zu Ines hinüber, die gerade die Rouladen mit Soße beträufelt. Meine Hände greifen ferngesteuert in die Kiste und ziehen The Incredible Jazz Guitar of Wes Montgomery heraus. »Nimm die. Und fang beim dritten Stück an.«
Ich gehe mir die Hände waschen. Als ich wiederkomme, sitzen die beiden schon, und Wes Montgomerys Daumen streichelt im Hintergrund zärtlich die dicken Saiten seiner Gibson.
»Auch etwas Rotwein, Herr… Stöckelein-Grummler?«
»Oh, sagen Sie doch bitte Ekkehart zu mir. Ja, ein wenig Wein kann nicht schaden, hehe.«
Also wirklich, wie ein Gymnasiast, der beim Rauchen auf dem Klo erwischt wurde. Durfte er da, wo er herkommt, nichts trinken?
Ines hat schon den ersten Bissen im Mund.
»Okay, Lukas, in welchem Kleiderschrank hältst du deinen Sternekoch gefangen?«
»Oh, danke. Ich habs eigentlich nur so gemacht, wie es im Rezept…«
»Für Entführung geht man auf jeden Fall in den Knast. Wenn du auffliegst, sag ich, ich hab von nichts gewusst… Mmh, kann man wirklich essen. Was sagst du, Ekkehart?«
»Ja. Es schmeckt wie bei unserem Italien-Urlaub vor drei Jahren.«
Unserem. Ich würde zu gerne fragen, mit wem er im Urlaub war, aber er hat ja gestern schon die Krise gekriegt, als ich mich nach seinem Plattenspieler erkundigt habe. Wir sollten lieber warten, bis er bereit ist, von selbst von seinem finsteren Ehedrama zu erzählen.
»Mit wem warst du denn in Italien, Ekkehart?«
Harrrgh! Ines!
»Ich… möchte nicht darüber sprechen.«
Und da heißt es immer, Frauen seien feinfühliger als wir.
»Wunderbare Musik hast du da übrigens mitgebracht, Ekkehart.«
Was?
»Ich will ja nichts sagen, Ines, aber die Platte habe ich auf CD, und ich spiele sie ungefähr bei jedem zweiten Abendessen.«
»Wirklich?«
Das ist jetzt aber ein dicker Hund. Ich stampfe zur Anlage, lege die CD ein und schalte um. Das Stück ertönt von neuem.
»Na?«
»Aber das ist doch nicht das Gleiche.«
»Na doch! Polka Dots and Moonbeams. Hör doch hin. Dadadadadadadaaam…«
»Aber von der Schallplatte klingt es viel wärmer.«
Ich sehe, wie Ekkehart vor Freude rote Flecken im Gesicht bekommt.
* * *
»Und meinst du, wir sollten zuerst den Verstärker oder die Boxen austauschen, Ekkehart?«
»Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, liebe Ines. Man muss eine Hifi-Anlage immer als Kette betrachten. Und in einer Kette darf kein Glied schwach sein. Sprich, die besten Boxen nützen nichts ohne einen guten Verstärker, und das gilt umgekehrt genauso. Und selbst wenn man beides optimiert und perfekt aufeinander abstimmt, nützt es nur wenig, wenn man schlechte Kabel…«
Das geht jetzt seit einer geschlagenen Stunde so. Ekkehart klingt nun nicht mehr wie ein linkischer Gymnasiast, sondern wie mein alter Religionslehrer, was noch viel schlimmer ist. Ich habe schon längst auf Durchzug geschaltet und mich wieder in die Plattensammlung vertieft. Dieser Großonkel Adalbert hat echt alles angehäuft, was Rang und Namen hat. Gut, viele von den Sachen habe ich in irgendeiner Form auf CD, aber die Originalpressungen in den Händen zu halten und mir vorzustellen, wie dieser Mann sie Stück für Stück in Manhattan zusammengekauft hat, ist einfach umwerfend. Ich kann mich nicht beherrschen. Ich muss immer wieder daran schnuppern. Ob da mitten in all dem Staub- und Gilb-Mief noch ein paar Moleküle 50er-Jahre-New York dranhängen?
»Irgendwann musst du mir bitte noch mehr über deinen Großonkel Adalbert erzählen, Ekkehart.«
»Stör uns nicht! Ich treffe gerade mit Ekkehart wichtige Entscheidungen für die Zukunft.«
Ich kann es immer noch nicht glauben, aber es sieht wirklich so aus, als hätte der Hifi-Spinner Ines geködert. Vorhin hat sie sich vorführen lassen, wie Wes Montgomery klingt, wenn der Netzstecker wieder andersherum drinsteckt, und war entsetzt. Ich konnte auch diesmal ums Verrecken keinen Unterschied hören.
»Okay, sprechen wir nun über die
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