Wir tun es für Geld
Geld, immer von der Hand in den Mund, und drei Frauen haben ihn verlassen. Als er in den 70ern nach Deutschland zurückgekommen ist, hat er sofort einen festen Job gefunden und konnte sich auf seine alten Tage sogar noch ein kleines Häuschen kaufen.«
»Aber er hat die Zeit mitbekommen, in der der Jazz… passiert ist.«
»Ach so.«
»Schwer zu verstehen, ich weiß, aber glaub mir, es ist so.«
Nein, ich hole jetzt nicht weiter aus. Nur wenn er mich fragt.
»Sag mal, Lukas, Ines und du, wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«
In meinem Kopf macht es ein Geräusch, als würde man eine Plattenspielernadel bei eingeschaltetem Verstärker quer über die Platte ratschen.
»Also, ich hoffe, ich bin jetzt nicht zu neugierig, hehe.«
»Iwo, nein nein, schon okay.«
Warum wird mir erst jetzt klar, dass es Wahnsinn ist, mit unserem Finanzamt-Sachbearbeiter-der-nicht-wissen-darf-dass-wir-gar-nicht-… auszugehen?
»Nun, also, das fing so an, dass mein alter Freund Viktor und ich nach zwei Semester Studium fanden, dass wir zu dick sind. Und nachdem wir gemerkt haben, dass das Unisport-Konditionstraining viel zu anstrengend für uns ist, haben wir uns der gemischten Volleyball-Gruppe angeschlossen…«
Und ein Jahr später haben Viktor, unsere neue Volleyball-Freundin Ines und ich eine 3er-WG gegründet, und noch ein Jahr später kam Bernd in die Volleyballgruppe, und zwei Jahre später waren Ines und er ein Paar. Obwohl Ines ihn am Anfang noch schrecklich doof fand.
»… na ja, und dann kam so eines zum anderen.«
Wenn er jetzt weiterbohrt, wird es eng.
»Ein Glück, das ihr euch kennengelernt habt. Ehrlich. Ines und du, ihr passt so gut zusammen.«
»Na ja, irgendwie schon, ja.«
Oh nein, das kam viel zu zögerlich. Er sieht mich prüfend an. Wahrscheinlich kann er schon die Schweißtropfen auf meiner Stirn zählen.
»Ich weiß, ist nicht immer einfach, so ein Eheleben. Mir brauchst du nichts erzählen. Aber was passt, das passt einfach. Da sollte man nicht groß grübeln, auch wenn es mal nicht so rund läuft. Prost.«
»Prost.«
Zum Glück kommt die Band gerade wieder auf die Bühne. Bitte spielt laut, Jungs, bitte sehr, sehr laut.
* * *
22.01 / 00:43 Uhr
Mache mir weiterhin Sorgen um Ines’ und Lukas’ Ehe. Beziehung scheint mir in der Tat belastet. Ursache möglicherweise mein mehrtägiger Aufenthalt in ihrer Wohnung?
Will den beiden helfen. Werde mich heute noch mit Karlchen treffen (dessen Rückenbeschwerden vom Umzug sind fast auskuriert) und mich mit ihm beraten.
Kontierter Entenmagen
»Ja, hallo?«
»Hier ist Hartmut Meier vom Tagesspiegel, spreche ich mit Herrn Fink?«
»Ja. Ich möchte kein Abo, weil meine Mitbewohnerin hat schon eins, und ich muss jetzt auch gleich zur Arb…«
»Haha, nein, es geht um Folgendes, Herr Fink. Sie sind uns schon seit geraumer Zeit als Jazz-Experte ersten Ranges bekannt, und weil unsere wenigen anderen Autoren mit Jazz-Kompetenz im Moment völlig ausgelastet sind, wollten wir anfragen, ob Sie bereit wären, heute Abend kurzfristig einzuspringen, um ein Interview mit dem Jazzpianisten McCoy Tyner durchzuführen, der sich gerade privat in unserer Stadt aufhält.«
M…M…M…
»Herr Fink, sind Sie noch dran?«
Mc… Mc… Mc… Verflixt, ich muss mich zusammenreißen.
»Ja, Herr Meier, entschuldigen Sie, ich hatte da gerade noch ein Gespräch auf der anderen Leitung, hehe, also ein Interview mit M… M… McCoy Tyner, sagten Sie?«
»Ja. Treffpunkt wäre heute Abend um 20 Uhr im Restaurant Le Canard. Könnten Sie das kurzfristig einrichten?«
»Hmhm, mal sehen, hmmmm… ja, doch, das kann ich reinschieben.«
»Großartig, Herr Fink. Schreiben Sie bitte einen Artikel für die Wochenend-Beilage, Länge etwa 15 000 Zeichen.«
»Geht klar.«
»Die Kosten für Ihr Abendessen übernimmt selbstverständlich unser Haus.«
»Schön zu hören.«
»Der Tisch ist auf Ihren Namen reserviert. Wiederhören, Herr Fink, und wir bedanken uns sehr herzlich dafür, dass Sie so spontan zusagen konnten.«
»Keine Ursache. Wiederhören.«
* * *
Ich weiß nicht, wie viele Minuten ich noch reglos mit dem Hörer in der Hand dagestanden bin, bis mir auffiel, dass es die ganze Zeit tutete.
McCoy Tyner.
Was ziehe ich nur an? Ich pendele seit zwei Stunden zwischen Spiegel und Kleiderschrank hin und her, und trotzdem ist, abgesehen von der Unterhose, irgendwie noch gar nichts klar. Ich muss mich jetzt wirklich mal abregen.
Aber leicht
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