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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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eigentlich nicht meckern. Hätte ich nicht gedacht, dass die Ignoranten vom Tagesspiegel so viel für Jazzmusiker übrighaben.
    Ich gehe zurück und versuche dabei endlich etwas ruhiger zu atmen. Das gelingt mir aber nur genau drei Schritte lang. Dann sehe ich nämlich, dass an meinem Tisch schon jemand sitzt.
    »Oh…«
    »Hallo.«
    »Hallo, Ines.«
    »Sag mal, Lukas, ich wusste ja, dass du gut kochst, aber jetzt willst du es wirklich wissen, oder was?«
    »Nein, nein, ich bin, äh, beruflich hier.«
    »Du, beruflich hier? Sollst du die bevorzugten Unterhosenmarken der höheren Gesellschaftsschichten ausspionieren? Dann geh am besten auf die Herrentoilette.«
    »Ich bin vom Tagesspiegel beauftragt worden, ein Interview mit McCoy Tyner zu führen.«
    »Wer ist McCoy Tyner?«
    »Ines! Ein Jazzpianist. Ein großer Jazzpianist.«
    »Tschuldigung.«
    »Schon okay.«
    Die Farbe ihres langärmeligen Kleids liegt irgendwo zwischen Orange und Gold, auf jeden Fall genau der Ton, der zusammen mit ihrer Elfenbeinhaut, ihren hellblonden Haaren und der Spange aus Ebenholz, die es locker zusammenhält, ein vollendetes Gedicht ergibt. Warum sollte jemand wie sie McCoy Tyner kennen müssen? Er kennt sie ja schließlich auch nicht.
    »Du solltest öfter Anzüge tragen, Lukas. Du siehst toll aus.«
    »Danke, das finde ich sehr beruhigend.«
    Sie bleibt einfach sitzen.
    »Du, Ines, das ist jetzt nicht böse gemeint, und wir können ja auch gerne mal hier zusammen essen, und ich ziehe auch gerne noch einmal den Anzug dazu an, also, natürlich nur, wenn du auch noch einmal dieses Kleid anziehst, aber der Punkt ist… er kommt jetzt gleich.«
    »Moment mal, Lukas, das hier ist aber mein Tisch.«
    »Das kann nicht sein. Den haben die vom Tagesspiegel für McCoy Tyner und mich reserviert. Der Ober hat mich gerade hingeführt.«
    »Muss eine Verwechselung sein. Mich hat der Ober auch gerade hingeführt.«
    »Und mit wem bist du verabredet?«
    »Mit Professor Bleibimhaus, einem Experten für Katzenallergien, der sich mit meinem Fall befassen will, weil er ihn interessant findet.«
    »Darf ich Ihnen nun einen Aperitif bringen?«
    »Gut, dass Sie kommen. Hier hat es eine Verwechslung gegeben. Ist dieser Tisch für Herrn Fink oder für Frau Herzog reserviert?«
    »Für Sie beide.«
     
    * * *
     
    »Aber es stimmt wirklich, ich habe einen Anruf vom Tagesspiegel gekriegt, ich soll mich hier mit McCoy Tyner treffen. Er hätte schon vor einer Viertelstunde kommen müssen.«
    »Okay, Lukas, jetzt endlich mal Tacheles, du kriegst mich nicht rum, auch nicht, wenn du mich mit irgendwelchen Tricks in feine Restaurants lockst – wobei ich sagen muss, dass die Nummer mit dem Katzenallergie-Experten wirklich originell war.«
    »Ich hab damit nichts zu tun. Mir hat man gesagt, dass ich mich hier mit McCoy Tyner treffen soll.«
    »Wollen Sie vielleicht jetzt einen Aperitif?«
    »Ja, bringen Sie mir einen.«
    »Gut, mir auch einen.«
    »Darf ich Ihnen einen Spritz empfehlen?«
    »Spritz?«
    »Ja, bringen Sie uns bitte zwei Spritz.«
    »Sehr wohl.«
    Ines sieht mich an. Sie führt irgendwas Hinterhältiges im Schilde.
    »Also ein Interview mit McCoy Tyner?«
    »Ja.«
    Sie lächelt.
    »Der Aperitif, bitte schön. Darf ich Ihnen dann die Karte bringen?«
    »Ja, bitte.«
    »Du hast doch sicher Fragen für McCoy Tyner vorbereitet?«
    »Aber ja doch.«
    »Weißt du was, stell sie doch einfach mir. Quasi als Training, falls er doch noch kommt.«
    »So ein Blödsinn.«
    »Ha, du hast nämlich gar keine Fragen vorbereitet.«
    »Natürlich habe ich Fragen vorbereitet.«
    »Dann stell sie mir.«
    Wir kippen den Aperitif herunter, ohne vorher anzustoßen, und gucken uns an wie zwei Cowboys beim Duell. Sie will es wissen. Kann sie haben. Ich sehe ihr in die Augen und spreche ohne den kleinsten Verhaspeler meinen Text.
    »Mister Tyner, zu Ihren Freunden aus Ihrer Heimatstadt Philadelphia gehörten der Trompeter Lee Morgan und der Schlagzeuger Mickey Roker, mit denen Sie schon als Jugendlicher regelmäßig zusammen spielten. Wie haben die beiden Ihre Musik beeinflusst?«
    Ines sieht mich scharf an. Sie glaubt mir immer noch nicht. Der Ober kommt wieder an den Tisch geschwebt und reicht uns die Speisekarten.
    »Okay, Ines, wir essen was, oder?«
    »Ja, Mister Fink, ich bin schon ganz ausgehungert, müssen Sie wissen. Was essen Sie als Europäer denn so?«
    Ich muss grinsen. Wir vertiefen uns in die Speisekarten und wählen aus. Bald läuft der erste Wein in die Gläser. Ich

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