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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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versuche ihn zu genießen und nicht mehr darüber nachzugrübeln, warum uns Viktor – es kann nur Viktor gewesen sein – diesen Streich gespielt hat, wie viel das alles hier kosten wird und was ich dem Restaurantpianisten erzählen soll, wenn er mir noch mal über den Weg läuft.
    »Nun, Mister Fink, um auf Ihre Frage zurückzukommen…«
    »Jetzt lass doch gut sein, Ines.«
    »… die von Ihnen erwähnten Jugendfreunde Lee Morgan und, Dings, Mickey Roker waren von Anfang an ein wichtiger Einfluss für mich. Einer von ihnen hat mich dauernd zum Lachen gebracht. In den anderen war ich dagegen, ich muss es Ihnen hier und heute gestehen, verliebt.«
    »Soso.«
    »Ich habe Lee Morgan privat übrigens immer Viktor und Mickey Roker immer Lukas genannt, aber das nur am Rande, Mister Fink.«
    Sie sieht mich an wie Mona Lisa. Mir wird flau.
    »Und welcher der beiden war es… der Sie immer zum Lachen gebracht hat, Mister Tyner?«
    Sie nimmt einen großen Schluck und schaut mir fest in die Augen.
    »Lee Morgan. Nächste Frage?«
    »Du warst… in mich verliebt?«
    »In Mickey Roker.«
    »Ines, im Ernst, du warst in mich verliebt?«
    »Können wir wieder über Jazz sprechen, Mister Fink? Dafür sind wir ja schließlich hier. Ihre nächste Frage bitte, oder ich gehe nach Hause.«
    Wenn ich nicht mitmache, erfahre ich gar nichts.
    »Gut. Mister Tyner, auch ein anderer Jazz-Pianist war zu ihrer Jugendzeit in Philadelphia sehr präsent: der große Bud Powell. Haben Sie ihn oft getroffen und gehört?«
    »Nun, Mister Fink, ich war, wie gesagt, in Mickey Roker verliebt. Bud Powell hat mich lange Zeit nicht interessiert, obwohl ich sagen muss, dass ich mir das aus heutiger Sicht kaum noch vorstellen kann.«
    »Kann es sein, dass Sie ihn privat Bernd Powell genannt haben?«
    »Absolut richtig, Mister Fink, Sie sind sehr scharfsinnig. Vielleicht hätte Mickey Roker der wichtigste Mensch in meinem Musikerleben werden können, aber er hat sich immer nur für sein Schlagzeug interessiert. Stellen Sie sich vor, er hat es Vanessa genannt. Jede einzelne Trommel, jedes Becken, immer nur Vanessa, Vanessa, Vanessa. Und soll ich Ihnen was sagen? Dreivierteltakt hat er immer so gezählt: Va-nes-sa, Va-nes-sa. Ein verrückter Kerl, der Mickey. Dem war einfach nicht zu helfen. Aber im Nachhinein bin ich überzeugt, dass es ganz gut so war, denn so wurde Bud Powell mein wichtigster Freund. Wir beide haben viel mehr gemeinsam. Schließlich spielt er auch Klavier, wie ich.«
    »Es tut Mickey Roker sehr leid. Er war ein Idiot.«
    »Tut es ihm wegen ihm leid oder wegen mir?«
    »Wegen uns.«
    Ihre blauen Augen sind nun so kalt, wie Blau nur sein kann.
    »Und du denkst, die Lösung wäre, dass ich Bernd Powell verlasse, mich in deine Arme stürze und, ach ja, unsere Lügen-Ehe könnten wir ja dann auch einfach schnell mal für echt erklären?«
    »In dem Tonfall klingt das nicht sehr ermutigend.«
    »Komm schon, das hätte doch was. Wäre wirklich sehr praktisch, und Angst vor Mister Stöckelein von untendrunter müssten wir auch nicht mehr haben.«
    »Du klingst immer noch nicht ermutigend.«
    »Vielleicht liegt es daran, dass ich mein Glück darüber, dass es dir leidtut, noch gar nicht fassen kann? In solchen Situationen soll man ja hin und wieder seinen Ton nicht so richtig unter Kontrolle haben.«
    »Ines, es tut mir wirklich leid!«
    »Ach komm, Lukas, die paar Jahre, die eine junge Frau mit Schmachten zugebracht hat, das braucht dir doch nicht leidzutun.«
    »Du lässt mir keine Chance.«
    »Ich gucke sicherheitshalber nach – nein, tatsächlich, keine Chancen mehr da. Wer hätte das gedacht. Früher hatten wir das ganze Lager voll. Bedaure zutiefst.«
    »Ines…«
    »Darf ich das Essen servieren?«
    »Ja, bitte.«
    Ich kann es kaum erwarten, bis der Kellner wieder verschwindet, aber Ines zögert es sogar mit Absicht hinaus.
    »Woher kommt die Ente, deren kontierten Magen ich gleich verspeisen werde, Herr Ober?«
    »Wir beziehen unsere Enten von einem Hof im östlichen Brandenburg, ganz in der Nähe von…«
    Der Exkurs des Obers ins brandenburgische Entenleben dauert mehrere Minuten, aber ich bekomme kaum etwas davon mit. Ich starre auf das vermutlich beste und teuerste Essen, das jemals vor mir stand, und weiß nicht, wie ich es in meinen Mund kriegen soll. Auch als der Ober längst gegangen ist, habe ich mich immer noch nicht bewegt.
    »Mister Fink, Ihr Seesaibling wird kalt.«
    »Macht nichts. Mir ist auch kalt.«
    »Umso mehr sollten Sie

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