Wir tun es für Geld
ich mich daran gewöhnt, dass Vanessa den Ton angibt. Ist wahrscheinlich doch besser, weil sie einfach schon viel sicherer ist als ich. Mir ist inzwischen auch alles egal. Mit dieser Frau Tango zu tanzen ist wie auf einem Lavastrom zu surfen, mit einer Aprilia-Maschine um eine Haarnadelkurve zu jagen, mit Lionel Messi Doppelpässe zu spielen… Moment mal.
»Heee! Vanessa, wo willst du hin?«
»Och, nirgendwohin.«
Vanessa tanzt mit mir den kleinen Flur hinunter, der zu den… ja, alles klar, zu den Toiletten führt. Wäre das hier ein Buch, gäbe es jetzt mehrere Lösungen.
Liebesroman:
Ich ringe ein wenig mit Vanessa, die sich kichernd an mir festklammert, und werfe sie, weil sie einfach nicht lockerlassen will, am Ende ebenso entschlossen wie grob gegen die Wand. Sie guckt kurz verdutzt, lacht dann weiter, aber ich nagele sie mit eisernem Blick dort fest, wo sie gerade steht, rede mit einer Stimme, die das Kunststück fertigbringt, gleichzeitig aufgewühlt und eiskalt zu klingen, irgendwas von »Es ist vorbei«, »Ich liebe jemand anders« und »Ich falle nicht mehr auf deine Tricks herein«, und Vanessa zieht mit gesenktem Haupt ab.
Horrorthriller:
In etwa das Gleiche, nur dass Vanessa nicht abzieht, sondern dass sich herausstellt, dass sie in Wirklichkeit ein Zombie ist.
Komödie:
Ich sage: »Äh, du, wart mal einen Moment«, verschwinde zur Bar, erbettele mir ein großes Glas Eiswürfel, kippe es mir in die Hose und seufze »Aaaaah!«.
Aber das hier ist nun mal das wahre Leben. Und im wahren Leben tönt tief in meinem Innersten mein männlicher Urinstinkt.
»Begatte sie!«
Natürlich setze ich mich zur Wehr.
»Kommt nicht in Frage. Ich bin nämlich eigentlich gerade in Ines… Ach, das verstehst du eh nicht. Ist zu kompliziert für dich.«
»Wie soll deine Art überleben, wenn du dich deinem männlichen Instinkt widersetzt? Begatte sie!«
»Du, das Überleben meiner Art ist überhaupt kein Problem mehr. Im Gegenteil. Schon mal was von Überbevölkerung gehört?«
»Hohoho!«
»Jetzt pass mal auf, männlicher Instinkt, das hier ist keine archaische Steinzeitwelt mehr. Hast du vielleicht noch nicht mitbekommen, aber heutzutage…«
»Hohoho!«
»Du, wenn du einen Disput mit mir führen willst, dann musst du schon Argumente bringen.«
»Begatte sie!«
»Hm…«
»Dafür wurdest du geschaffen.«
»Tja, schon ein guter Punkt… irgendwie…«
Wupps, sind wir im erstbesten Toilettenabteil verschwunden. Vanessa knallt die Tür zu. Die Musik hören wir nur noch gedämpft, aber wir tanzen weiter. Tango, Limbo, Lambada, was auch immer, wir picken uns jeweils die schmutzigsten Elemente heraus, mixen sie zu einer wilden Lukas-Vanessa-Orgie zusammen.
»Hohoho! Na bitte!«
»Das müssen wir aber nachher noch zu Ende diskutieren.«
»Aber sicher doch!«
* * *
»Ups!«
»Wow!«
»Also Lukas.«
Wir schnaufen und schnaufen und schnaufen, werfen uns dabei seltsame Blicke zu und zählen die Schweißtropfen auf unserer Haut. Dass das ausgerechnet heute passiert? Mir schießen tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf, während ich noch immer ab und zu vor Erregung zucke.
»Du, Vanessa, ganz komisch, ich muss gerade dran denken, wie wir beide damals bei Tonis Fitnessstudio-Eröffnung im Spinningraum…«
»Bei Tonis Fitnessstudio-Eröffnung?«
»Na, das wirst du doch wohl noch wissen. Du und ich im Spinningraum. Alle waren am kalten Buffet, ich bin rein und hab auf dich gewartet, und du…«
»Moment mal.«
»Stockfinster wars…«
»Das warst DU?«
»Äh, ja.«
»DUHU?… Also Lukas, wow!«
»Was dachtest du denn?«
»Sag ich nicht, hihi.«
Muss ich jetzt beleidigt sein? Geht gar nicht, ich bin viel zu erschöpft. Außerdem fühle ich mich so wunderbar eins mit Vanessa. Nur ganz allmählich kehre ich wieder in die Außenwelt zurück. Was sind das eigentlich für komische Geräusche?
»Sag mal, kann es sein, dass da jemand die ganze Zeit an die Tür hämmert?«
»Ach, das ist nur der Juan. Warten wir einfach. Der geht schon wieder.«
Abschlussvereinbarung
Vanessa ist eingeschlafen. Ich liege neben ihr, streichele sie durch die Decke und kann immer noch nicht fassen, dass das alles wahr ist. Ich bin am Ziel. Wir haben seit 24 Stunden ihr Schlafzimmer nicht mehr verlassen. Und so, wie es aussieht, werden es wohl noch ein paar mehr werden. Wenn wir berühmt wären, könnten wir morgen Reporter ans Bett kommen lassen, wie damals John Lennon und Yoko
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