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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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ganz gewöhnlich, aber es kommt doch regelmäßig alle Vierteljahre vor, immer dann, wenn einer der Kollegen als »Mitarbeiter des Quartals« ausgezeichnet wird. Was hingegen noch nie vorgekommen ist, ist, dass ich nicht vorher darüber informiert wurde. Schließlich legt die Geschäftsleitung großen Wert darauf, dass möglichst alle Kollegen, die gerade abkömmlich sind, an dem Tag im Korridor Spalier stehen und klatschen. Hab ich wohl wieder die Hausmails nicht gründlich genug gelesen.
    Ich hüstele verlegen und versuche mich unauffällig in das Spalier einzureihen, aber die Kollegen schubsen mich lachend wieder in die Mitte. Alle nehmen Haltung an und klatschen, während Herr von Buldenfort und Herr Kreitmayr mit der Mitarbeiter-des-Quartals-Urkunde auf mich zukommen.
    Moment, Moment. So einfach kriegt ihr mich nicht. Lukas Fink, Mitarbeiter des Quartals. Das könnt ihr euren Großeltern erzählen…
    »Herzlichen Glückwunsch, Herr Fink – und jetzt tun Sie mal nicht so überrascht.«
    »Sie haben einen großen Sprung gemacht, das blieb nicht unbemerkt, nicht wahr, Herr von Buldenfort?«
    »In der Tat. Nicht nur einer, nein, gleich mehrere Kunden haben sich in letzter Zeit lobend über Sie geäußert.«
    »Und das kommt bei Herrenunterwäsche nun wirklich nicht oft vor.«
    »Aber wenn ein Herrenunterwäscheverkäufer genug Esprit hat, nebenbei auch einmal eine Flasche Wein oder einen Taschenrechner zu verkaufen, statt den Kunden abzuwimmeln und zum Kollegen zu schicken…«
    »… dann freuen wir uns und ziehen den Hut. Herzlichen Glückwunsch, Herr Fink – und weiter so!«
    Während die Chefs mir die Hand drücken und die Urkunde überreichen, applaudieren die Kollegen pflichtschuldig. Irgendwas stimmt hier nicht.
    Ah, jetzt weiß ichs. Versteckte Kamera. Diesmal wirklich. Gleich kommt Herr Fink, der unengagierteste, faulste und pflichtvergessenste Verkäufer des ganzen Hauses. Ihm ist nur wichtig, dass er nie vor 13 Uhr arbeiten muss. Deswegen hat er sogar auf die Hälfte seines Gehalts verzichtet. Doch heute haben wir eine Überraschung für Herrn Fink vorbereitet: Er wird von unserem Spaßteam zum Mitarbeiter des Quartals ernannt. Schauen wir mal, was er für ein Gesicht macht.
    Und wenn ich jetzt nicht gleich auf irgendeine fürchterlich alberne Art Freude zeige, fahren sie bestimmt noch ganz andere Geschütze auf. Dann kriege ich eine Sexpuppe als Präsent überreicht oder einen Gutschein für eine Ganzkörperenthaarung. Nein, das muss ich jetzt nicht auch noch haben. Da mache ich doch lieber ein kleines Jubeltänzchen und werfe die Urkunde ein paarmal in die Luft. Dann haben sie ihre Bilder im Kasten und gut.
    Das Einzige, was ich damit allerdings bewirke, ist, dass sich meine Kollegen und Chefs köstlich amüsieren und noch mehr klatschen, statt dass endlich das Spaßteam erscheint. Das ist mir jetzt wirklich zu blöd, ich gehe. Sollen sie mir doch hinterherlaufen mit ihrer doofen Sexpuppe.
     
    * * *
     
    Ich bin tatsächlich Mitarbeiter des Quartals. Ich habe lange gebraucht, um es zu akzeptieren, aber ich erkenne jetzt auch langsam die Bedeutung. Es war richtig, meinem Instinkt zu gehorchen. Meine Gefühle, mein Wille, mein Körper, alles ist auf einmal im Einklang mit sich und der Matrix. Die Dissonanzen verschwinden aus meinem Leben, Harmonie kehrt ein. Alle Fragezeichen und Unsicherheiten lösen sich auf. Die Welt um mich herum fügt sich neu. Meine Auszeichnung von eben ist nur eines von vielen Zeichen für diesen Zustand.
    Ich lehne lässig an einem Unterhosenregal und nicke den Kunden freundlich zu. Ich kann spüren, wie meine positive Energie auf sie überspringt. Und ich bin auch überhaupt nicht mehr müde. Kein Wunder. Wer sich im Einklang mit der Matrix befindet, braucht nicht viel Schlaf.
    »Können Sie mir sagen, wo die Toiletten sind?«
    »Hm?… Oh, aber ja, einfach durch die Tür dort geradeaus, und dann dritte Tür links.«
    »Danke.«
    »Bitte, bitte.«
    Ein wunderbarer Tag, denke ich ich mir. Dann dämmert mir, dass ich den Kunden gerade ins Chefbüro geschickt habe. Trotzdem, ein wunderbarer Tag. Heute freue ich mich sogar auf den Vital-Kompakt-Kurs.
     
    * * *
     
    »Warum bist du da auf einmal so sicher, Lukas?«
    »Ich höre auf meinen Instinkt.«
    »Also, wenn du mich fragst, wie gesagt, Vanessa ist einfach nur eifersüchtig auf Ines und schmeißt sich an d…«
    »Ja klar, Viktor, nur weil sie eifersüchtig ist, funktioniert unsere Beziehung jetzt auf einmal. Dass Vanessa

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