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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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stehen, da, wo auch alles andere steht. Ich muss den Billardtisch erst herausholen, der dort steht, seit ich klein war. Während ich die Möbel hineinstelle, die Beine vom Billardtisch abschraube und ihn an die Wand schiebe, denke ich an Criz. Da bleibe ich hängen. Zwischen der Wand und dem Billardtisch. Jim rettet mich. Er lacht über mich. Ich muss auch über mich lachen. Darüber, wie ich alles verkehrt herum mache. Das sitzt einfach in meinem Kopf fest.
    »Das war wohl das letzte Mal«, sage ich zu Jim. Kristin macht die Beete herbstklar. Sie steckt neue Krokus- zwiebeln und legt um die beiden Buschrosen ordentliche Ringe von Torfmull. Dann harkt sie Laub und Zweige auf, die der unermüdliche Wind in unseren briefmarkengroßen Garten geweht hat. Sie trägt sie im Rechen zu der grünen Komposttonne, die sie von Jim und mir zum vierzigsten Geburtstag bekommen hat.
    Ich gehe hin und öffne für sie den Deckel.
    »Ist der gut, was meinst du?«
    »Danke Kim. Ich finde ihn einfach klasse.«
    Sie keucht. Stützt sich auf den Rechen, zündet sich eine Zigarette an.
    Ich sehe ihr zu, sage aber nichts. Sie hat den ganzen Sommer über nicht geraucht.
    »Fast hätte ich es geschafft«, sagt sie.
    Ich lache sie an.
    »Gib nicht auf, Kristin«, sage ich. »Man darf nie aufgeben.«
    »Ich werde nach Weihnachten aufhören«, sagt sie. »Jetzt war so viel los.«
    Ich nicke. Denke an ihren vierzigsten Geburtstag. Jim und ich hatten einen Überraschungstag für sie geplant. Zuerst Frühstück im Bett mit Marzipantorte, rabenschwarzem Kaffee und roten Rosen.
    Abends haben wir sie ins La Dolce Vita in der Drottningsgatan zum Essen eingeladen. Dreigänge-Menü mit dem Rotwein des Hauses. Sie strahlte wie eine Sonne. Es war lange her, dass ich Kristin so froh gesehen habe. Ich glaube, sowohl Jim als auch ich, wir beide dachten, dass wir das öfter machen sollten. Dass sie das brauchte. »Wir gehen jetzt rein und trinken Kaffee«, erklärt Jim. »Ich komme«, sage ich.
    Als ich den Rasenmäher in den Carport fahre, muss ich wieder an Criz denken. Überlege, warum sie wohl gekommen ist. Zuerst dachte ich, sie hätte es meinetwegen getan. Dass sie sich tatsächlich etwas aus mir machte. Aber wenn sie etwas für mich empfinden würde, dann wäre sie doch wohl schon früher gekommen, oder? Hätten nicht alle zusammen das eigentlich tun müssen? Dann fällt mir ein, dass ich ja den ganzen Sommer über nicht da gewesen bin. »Sicher deshalb«, denke ich. »Was für ein Glück, dass ich den ganzen Sommer über in Michigan war. Ich fürchte, sonst hätte ich es nicht geschafft.«
    Ich kann spüren, dass mich Criz' Besuch ein wenig sicherer hinsichtlich meiner Gefühle gemacht hat. Ich habe nicht das Bedürfnis zu weinen. Ich bin nicht verzweifelt über das, was passiert ist. Du weinst, wenn deine Katze stirbt. Dann weinst du wochenlang, vielleicht monatelang. Aber wenn deine Kumpel dich im Stich lassen, wenn sie dich treten, erniedrigen und versuchen dich umzubringen und dich im Wald zurücklassen, dann weinst du nicht. Dann bist du gekränkt und wütend.
    Dann musst du aufstehen und ihnen zeigen, dass du das nicht akzeptierst. Du musst es ihnen zurückzahlen. Um deiner selbst willen. Sonst gehst du unter.
    Manny steht vorm Seven. Ich zucke zusammen, als ich ihn entdecke. Bleibe stehen. Ich glaube nicht, dass er mich gesehen hat. Ich gehe ein paar Schritte zur Seite, husche in einen Hauseingang.
    Er hat sich verändert. Seine Haare sind gewachsen. Das sieht gepflegt aus, kurz, gepflegt und leicht gesträhnt. Er sieht aus wie ein Fußballspieler, denke ich. Die haben doch oft so eine Frisur.
    Ist das der neue Manny?
    Er redet mit ein paar kleinen Jungs. Ich meine sein Mienenspiel wiederzuerkennen. Die ausdrucksvollen Augen, das steife Lächeln in den Mundwinkeln. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.
    Die kleinen Jungs geben ihm etwas, ich kann nicht sehen, was. Dann überreicht er ihnen etwas. Zigaretten? Ich nehme es an. Er hat den Knirpsen Zigaretten verkauft. Die Jungs verschwinden schnell, aber Manny bleibt stehen. Es sieht so aus, als bewachte er den Laden. Wartet er auf jemanden?
    Ich überlege, was ich machen soll. Dann beschließe ich, zum Supermarkt ICA-Trumpeten in der Plommongatan zu gehen. Es ist noch zu früh für Manny.
    Ich träume viel. Das ist gut, sagen alle. Man soll träumen. Das reinigt. Damit verarbeitet man das, was man erlebt hat. Aber meine Träume handeln nicht von dem, was gewesen ist. Ich träume von der

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