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Wir waren nie Freunde

Wir waren nie Freunde

Titel: Wir waren nie Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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ich.
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Ich denke nicht. Ich ... «, sie bricht ab.
    Ich gehe einen Schritt vor auf die Treppe und ziehe die Tür hinter mir zu. Wieder stehen wir schweigend da. Ich spüre den kalten Beton durch meine dünnen Strümpfe hindurch.
    »Ganz schön windig«, sage ich.
    Da wirft sie sich auf mich.
    Ich bekomme gerade noch mit, dass sich ihr Körper anspannt, dann rennt sie die wenigen Schritte auf mich zu und wirft sich mir in die Arme.
    So bleiben wir eine Ewigkeit lang stehen. Ich lege meine Arme um sie. Ich drücke sie fest an mich. Sie weint. Ich möchte auch weinen, ihr zuliebe, weil sie so traurig ist. Aber ich habe keine Tränen mehr. Dieses Stadium ist vorbei. Ich habe sowieso nur sehr wenig geheult. Für mich geht es nicht um diese Art von Gefühl. Jetzt nicht. Es gibt da so viele andere Probleme.
    Als sie fertig geweint hat, schaut sie zu mir auf. Sie sieht mich eine ganze Zeit lang an.
    »Ich habe nicht gedacht, dass ich dich wiedersehen würde«, sagt sie.
    »So schlimm war es nun auch wieder nicht«, sage ich. »Doch, das war es! Ich habe geglaubt, dass du tot bist. Alle haben das geglaubt.«
    »Aber so war es nicht«, sage ich. »Die Gefahr bestand nicht.«
    Wieder dieses Schweigen. Ich verlagere das Gewicht, versuche mal auf dem einen, mal auf dem anderen Fuß zu stehen.
    »Wie geht es dir?«
    »Gut«, sage ich.
    »Wo bist du gewesen?«
    »In den USA. Bei meiner Tante in Michigan. Das war ja schon vorher so geplant gewesen.«
    »Und war es schön da?«
    Ich nicke.
    »Es war schön in Michigan«, sage ich. »Aber ich habe das Gefühl, nie wieder Lust auf Hamburger und Pommes frites zu kriegen.«
    Sie lacht.
    »Ich wünschte, es könnte wieder so sein wie vorher«, sagt sie.
    Ich wechsle den Fuß. Schüttle den Kopf.
    »Das geht ja nicht«, sage ich.
    »Nein«, bestätigt sie, »das geht wohl nicht.« »Triffst du dich noch mit den anderen?«
    »Nicht so oft«, sagt sie. »Pia ist seitdem selten in der Schule gewesen. Sie geht zum Kinderpsychiater. Ich glaube, das hat sie kaputtgemacht.«
    »Ach«, sage ich nur.
    Wieder entsteht eine Pause. Es gibt so viele Dinge, über die man nachdenken muss, so vieles, was wiederkommt. »Warum hast du nichts gesagt?«, fragt sie.
    »Ich wollte es nicht«, antworte ich.
    »Manny behauptet, du wartest nur damit, um uns das Leben zu vermiesen. Weil du uns terrorisieren willst.« »Das stimmt nicht.«
    »Warum erzählst du es dann nicht?«
    »Weil ich nicht will.«
    »Manny meint, du wolltest uns in der Hand haben, und dass du das irgendwann ausnutzen wirst« Ich zucke mit den Schultern.
    »Nein«, sage ich dann.
    »Und warum stehst du dann abends vor seinem Haus?« Ich werde von der Frage überrumpelt und weiß keine Antwort.
    »Ich weiß es nicht«, sage ich schließlich. »Ich weiß es wirklich selbst nicht.«
    Sie sieht mich eine ganze Weile an, als wollte sie von meinem Gesichtsausdruck ablesen, ob ich die Wahrheit sage oder nicht. Ich frage mich, ob sie deshalb gekommen ist. Ob die anderen sie geschickt haben, um herauszubekommen, was ich im Schilde führe. »Aber das werden sie nie erfahren«, denke ich.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagt sie.
    »Danke, dass du gekommen bist«, sage ich.
    »Wir sehen uns sicher«, sagt sie.
    Ich nicke. Sie geht.
    Gerade als ich die Tür öffnen will, kommt Elvis über den Rasen getrottet. Sie bleibt stehen.
    »Guck mal, da kommt ein Igel«, sagt sie.
    Ich nicke.
    »Der wohnt hier«, sage ich.
    »Wie schön der ist.«
    Sie beugt sich hinunter, stützt die Hände auf die Oberschenkel, schaut den Igel an.
    »Er heißt Elvis«, sage ich. »Der ist seit dem Frühling bei uns gewesen. Aber jetzt war er ein paar Tage weg, wir haben schon gedacht, er wäre fortgezogen.« Sie erhebt sich. Schaut sich um.
    »Vielleicht sucht er nach einem Platz zum Überwintern.« »Ja«, sage ich. »Kann schon sein.«
    »Ja, dann tschüs, Kim.« sagt sie.
    Ich gehe hinein. Meine Füße sind fast gefühllos. Kristin hat Tee gekocht und ein frisch gebackenes Brot und Käse auf den Tisch gestellt.
    »Wer war das?«, will sie wissen.
    »Eine Bekannte«, sage ich.
    »Tove?«, fragt Kristin nach.
    Ich schüttle den Kopf.
    »Criz«, sage ich.
    Den ganzen Samstag arbeiten wir im Garten. Alle drei sind wir mit verschiedenen Dingen beschäftigt. Wir haben kaum alle Platz. Es ist fast wie in den guten alten Zeiten. Ich mache meine Runden mit dem Rasenmäher und trage anschließend die neuen Gartenmöbel rein. Sie sollen den Winter über im Carport

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