Wir waren nie Freunde
Zukunft. Davon, wie es einmal werden wird.
In einigen Nächten gibt es nur Tove. Ich sehe sie in der Sonne, immer mitten in der Sonne, auf einer steinernen Treppe. Wenn ich näher herangehe, sehe ich, dass es nicht Tove ist. Es ist ein Fuchs.
Sein Fell ist rot und weich, und der Fuchs liegt immer auf einem Fels, genau dort, wohin die Sonne scheint. Es sieht aus, als schliefe er. Sein Körper ist ausgestreckt, auf so eine entspannte Art, wie Katzen es manchmal tun. Es sieht aus, als könnte er sich selbst vergießen, sein rotes Fell, dort auf dem Fels. So liegt der schlafende Fuchs in der Sonne.
Ich nähere mich ihm vorsichtig. Will ihn nicht aufwecken. Nicht, bevor ich bei ihm bin.
Die Augen des Fuchses sind geschlossen. Ich betrachte die Ohren, die wie dreieckige Segel hervorragen. Lauschen sie, obwohl er schläft? Ich meine zu wissen, dass Füchse äußerst wachsame Tiere sind.
Vorsichtig hebe ich einen Fuß, dann den anderen mit der gleichen Bewegung. Ich warte, betrachte den schlafenden Fuchs.
Ich frage mich, ob du das bist. Aber dann fällt mir ein, dass ich gar nicht hier wäre, wenn nicht du es wärst. Ich erkenne deinen Duft, deine magische Anziehungskraft. Du bist genauso unnahbar, so selbständig und unerschütterlich wie der rote Fuchs in der Sonne. Nicht so wie ich, der dich die ganze Zeit ansieht, dich fragt, was du magst, versucht, dir alles recht zu machen. Du fragst mich nie, was ich mag.
Dann bin ich da. Ich hocke mich neben den Fuchs auf den warmen Stein. Er bewegt sich immer noch nicht. Ich zögere eine Weile.
Dann fasse ich Mut. Ich denke, dass es doch passieren muss, früher oder später.
»Tove«, flüstere ich. »Ich bin's. Kim.«
Der Fuchs reagiert nicht. Ich wiederhole meine Worte, jetzt etwas lauter. Sie zeigen keine Wirkung. Der Fuchs erscheint unnahbar.
Da hebe ich meine Hand und streiche vorsichtig über das Fell, den ganzen Körper entlang über den Rücken und den buschigen Schwanz. Und da merke ich, wie mir am ganzen Körper der Schweiß ausbricht, wie ich geradezu eiskalt werde, denn meine Hand wischt den Fuchs aus. Er verschwindet, als wäre er nur eine Schattenfigur, die die Sonne geschaffen hat. Ich starre auf den leeren Stein vor mir.
Dann schaue ich auf meine Hand. Ich meine sehen zu können, dass die Innenfläche rot ist. Ja, die rote Fuchsfarbe ist deutlich zu erkennen, sie breitet sich über meine Hand aus. Die rote Farbe!
Philip, mein Freund! Jetzt weiß ich, dass das, was du gesagt hast, stimmt. Die Welt ist nur eine Spiegelung, alles was wir tun, sind nur Scheinmanöver. Die Farben sind falsche Brechungen des Lichts, Reflexe in dem Spiegel, der das Erdenleben ausmacht. Was ist es, das uns alle weitertreibt, das diesen Spiegel funktionieren lässt? Das uns aufbringt und uns dazu bringt, uns zu bewegen, zu denken, zu reden, Dinge zu tun? (Manchmal verdammt böse Dinge, Philip, wenn wir dazu gebracht werden, es zu toll zu treiben!)
Ich weiß es nicht. Ich frage mich, ob du es weißt. Ob du eine Antwort auf meine Fragen hast. Eine Zeit lang glaubte ich das, Philip. Eine Zeit lang glaubte ich an alles, was du sagtest.
Jetzt weiß ich es nicht mehr. Es ist auch nicht mehr so wichtig.
Jetzt ist alles anders. Es geht weiter, das muss es. Es gibt keine andere Lösung. Solange wir uns spiegeln, müssen wir mitspielen.
Meine Rolle ist jetzt schwierig. Zu schwierig. Es dauert seine Zeit, herauszufinden, wie man sie bewältigen kann, wie man überlebt. Weiterlebt. Ich musste aus dem lernen, was ich mitgemacht habe. Ich musste mich dadurch abhärten.
Vielleicht hätte ich auch zurückschlagen müssen. Ich weiß, dass du das weißt. Dass ihr alle das versteht. Es ist so gekommen, wie es kommen musste. Da ich weiterlebe, müsste ich reagieren. Ich weiß nur nicht wie. Ich versuche verschiedene Möglichkeiten.
Was hättest du getan, Philip?
Ich esse den Rest vom Eis. Dann richte ich mich auf und schaue mich um. Es sind ziemlich viele Leute im Raum. Jugendliche und vereinzelt Erwachsene mit Kindern. Einige erkenne ich wieder, aber es ist niemand da, den ich wirklich kenne. Papier und Pommes-frites-Verpackungen liegen auf Tabletts auf den Tischen, weil die Mülleimer voll sind.
Ich spüre, wie ich beobachtet werde. Der schwarzhaarige Typ hinterm Tresen hat mich im Blick, seit ich hereingekommen bin. Jetzt reiße ich eine vollgeschriebene Seite aus meinem Notizbuch. Ich knülle das Papier zu einem Ball zusammen und hole mein rotes Feuerzeug heraus. Als das Papier Feuer
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