Wir wollen Freiheit
politisches Engagement der Frau. Allerdings solle sie diese Aufgaben nur übernehmen, wenn sie ihre Hauptpflichten als Ehefrau und Mutter erfüllt hat. Jobs wie Richter oder Präsident sollten ihr aber auch dann nicht zugemutet werden. Auch Christen genießen einen besonderen Schutz nach dieser Interpretation des islamischen Rechts, allerdings würden viele ägyptische Kopten sich lieber als gleichberechtigte Bürger und nicht als Schutzempfänger verstehen. Die Frage der Frauenrechte und nach dem Schutz der Minderheiten ist aber – wie gesagt – innerhalb der
Bruderschaft
sehr umstritten.
Die Parteiengründung hat auch Auswirkung auf die Rolle der Frauen innerhalb der
Bruderschaft
. Bisher spielen sie zwar eine große Rolle im Hintergrund, aber nicht offiziell. »In der Partei werden Frauen gebraucht und hier haben sie auch offizielle Funktionen. Wir wollen ja zeigen, dass sie bei uns eine Rolle spielen«, sagt Manal Abu Hassan und rechnet damit, dass auch in der
Bruderschaft
die Frauen bald eine offizielle Vertretung bekommen.
Bleibt die Frage, wie stark die
Bruderschaft
ist. Bisher hieß es immer, dass die
Bruderschaft
die größte Opposition in Ägypten sei und bei freien Wahlen an die Regierung käme. Aber stimmt das? Es ist auffällig, dass die Führung der
Bruderschaft
schon während der Revolution beginnt, ihre Ambitionen herunterzuspielen. Sie hätten gar nicht die Absicht, die Regierung zu übernehmen. Sie wiederholen diese Versicherung, |177| als viele Ägypter misstrauisch auf das gute Verhältnis zwischen
Brüdern
und Generälen schauen. Man kann dabei schon fast von einer Art Selbstverniedlichung sprechen. So kündigt die Führung der Partei an, nur in der Hälfte der Wahlkreise Kandidaten für die Parlamentswahlen aufstellen zu wollen. Auch sagen sie, dass sie keinen Kandidaten ins Rennen um die Präsidentschaft schicken wollen. »Wir wissen doch, dass viele Ägypter vor uns Angst haben. Wie sollte das auch anders sein, sie haben doch jahrzehntelang die Propaganda der Regierung gegen uns gehört und deswegen versuchen wir sie zu beruhigen«, erklärt Ahmed Akil.
Viele Ägypter fürchten sich vor einem »Iranischen Szenario«, also davor, dass die Islamisten eine Diktatur im Namen des Islam einführen könnten. Die
Bruderschaft
hingegen – und das ist der Hintergrund der Selbstverniedlichung – fürchtet sich eher vor dem »Algerischen Szenario«: Dort gewann die islamistische »Front Islamique du Salut« die Parlamentswahlen, daraufhin putschte das Militär mit westlicher Billigung und das Land versank in einem jahrelangen blutigen Bürgerkrieg. Die Parlamentsmehrheit und der Präsidentensessel können daher nicht Ziel der
Muslimbrüder
sein, denn damit würden sie riskieren, das ganze Modell »Neues Ägypten« scheitern zu lassen, bevor es überhaupt richtig begonnen hat. Eine einflussreiche Fraktion von 30 bis 35 Prozent hingegen ist ein strategisch kluges Ziel.
Im Juni 2011 macht das U S-Meinungsforschungsinstitut Gallup eine Umfrage unter 1000 repräsentativ ausgewählten Ägyptern und findet gerade einmal 15 Prozent potenzielle Wähler für die
Bruderschaft
. Da protestiert die
Bruderschaft
: Besänftigung der Gesellschaft hin oder her – so schwach sehen sie sich nun doch nicht.
Die
Freiheits- und Gerechtigkeitspartei
ist nur eine von 14 Parteien aus dem islamischen Spektrum, die sich bis Anfang Juli gründen. Alleine fünf davon werden von
Brüdern
gegründet, |178| welche sich in den Wochen nach der Revolution von der
Bruderschaft
abspalten. Andere – wie die »Hisb al Wasat – Partei der Mitte« – sind Abspaltungen aus früheren Jahren. Mit manchen gibt es Absprachen. Mit anderen stehen die
Brüder
in Konkurrenz. Zum Beispiel mit der
Partei für Entwicklung und Gerechtigkeit
, die bereits 2005 von Khaled al Safarani gegründet wurde. »Ich denke, dass die Partei der
Muslimbrüder
beziehungsweise das islamisch-konservative Lager weit mehr als 15 Prozent bekommen werden. Zwar sagen viele Leute, wenn man sie fragt, ob sie die
Brüder
wählen wollen, erst einmal nein, weil die
Brüder
immer der Feind waren und die Leute etwas gegen solche straffen Organisationen haben. Da aber ElBaradei und die anderen Liberalen für die inakzeptabel sind, wählen sie doch die
Brüder
«, erklärt er.
Khaled Al Safarani geht davon aus, dass viele Ägypter mit festen Gruppen wie den
Gamaat al Islamia
oder der
Bruderschaft
nichts zu tun haben wollen und eine normale Partei vorziehen und
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