Wir wollen Freiheit
Strategische und Politische Studien, sieht die Parteiengründung weniger als Resultat einer ernsthaften Revision der Ziele der Bewegung. Er sieht vielmehr strategische Überlegungen: »Die Parteiengründung der
Salafisten
und dass sie überall für Unruhe sorgen dient beides dem gleichen Ziel: Sie wollen verhindern, dass zu sehr nach ihrer Vergangenheit und ihren Verbindungen zur Regierung und zum Geheimdienst gefragt wird«, erklärt er.
Wie mächtig die
salafistische
Bewegung ist, lässt sich nur schwer abschätzen. Klar ist, dass sie seit Jahrzehnten in Moscheen und im Fernsehen ihre Botschaft verbreiten können und sich dieser Trend verstärkt durch die vielen Millionen Ägypter, die in Saudi Arabien arbeiten oder gearbeitet haben. Die intolerante Sichtweise auf Muslime anderer Glaubensrichtungen und auf Andersgläubige ist weit verbreitet. Ob sich dies aber auch bei den Wahlen niederschlagen wird? Womöglich ist in diesem Frühjahr so deutlich geworden, dass es den
Salafisten -Führern
nicht – so wie sie immer behaupteten – um den »reinen Islam« geht, sondern sie vielmehr machtpolitischen |186| Interessen folgen und die Menschen sich deshalb von ihnen abwenden. Als gesellschaftliche Kraft wird diese Strömung auf jeden Fall weiter wichtig bleiben und die Hetze gegen Liberale und Christen wird sicherlich noch häufiger zu Gewalt führen.
Der Arabische Frühling ist auch ein Frühling des Islam
Es wäre schön, eine Kristallkugel zu haben und in das Ägypten des Jahres 2012 oder 2015 zu schauen: Was ist aus der Revolution geworden und wie geht es weiter mit der islamischen Bewegung? Auch ohne eine solche Kugel lässt sich recht klar erkennen, dass der Islam auch in Zukunft eine wichtige, wenn auch andere Rolle als bisher spielen wird. Die Revolution hat den Anteil derer erhöht, für die der Islam nicht der Maßstab allen Handelns ist. Linke und liberale Kräfte, die bisher nur sehr schwach waren, wurden gestärkt. Es gibt zum Beispiel jetzt mehr Jugendkultur, die nicht unter islamischen Vorzeichen steht. Die Menschen haben so mehr Auswahl, was ihre politische und ideologische Orientierung angeht. Auch befreit sich die Al Azhar aus der Bevormundung durch den Staat und ihre Aussagen zu religiösen Fragen werden dadurch wieder glaubwürdiger. Die islamischen Bewegungen können sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Menschen automatisch bei ihnen landen und bei ihnen bleiben. Auch die neugewonnene Freiheit stellt sie vor große Herausforderungen; jede Strömung auf ihre Art.
Der
Pop-Islam
geht eindeutig gestärkt aus der Revolution hervor. Er befreit sich von seinen Accessoires und besinnt sich auf den Kern seiner Botschaft: sich für eine bessere, erfolgreichere Gesellschaft einzusetzen. Die Öffnung und die Zusammenarbeit mit anderen politischen Strömungen bringt neue Impulse. Diese Strömung – man kann vielleicht von einer Art |187| »Tahrir-Islam« sprechen – ist so selbstverständlich religiös, dass der Einzelne seine Frömmigkeit nicht zu betonen braucht.
Die
Dschihadisten
hingegen stecken in der Krise, da der Islam als Befreiungsideologie ausgedient hat. Der Tod Usama Bin Ladens und die darauf folgende Neuorientierung könnte langfristig auch das Ende von Al Kaida markieren. Allerdings wäre es dann nicht der U S-Krieg gegen den Terror, der die Gotteskämpfer besiegt hätte, sondern die muslimischen Jugendlichen selber.
Die
Muslimbruderschaft
steht vor einer Zerreißprobe. Was bleibt vom straff organisierten Geheimbund übrig, wenn der Druck von außen sie nicht mehr zusammenhält? Und bei
Salafisten
sowie
Muslimbrüdern
bleibt abzuwarten, was der Schritt in die Politik mit der Bewegung und ihren Inhalten macht. Es ist eine Sache, immer zu predigen, dass Religion und Politik eine Einheit seien und dass man die Scharia als Quelle der Rechtsprechung brauche. Die andere ist, dies in die Praxis umzusetzen. Es ist auch einfacher, den »reinen Islam« zu predigen, wenn man das in sich gekehrte Leben eines Gläubigen führt, als wenn man als Politiker Wahlkampf führen muss und im Parlament Allianzen zu schmieden hat.
Muslimbrüder, Salafisten
und Co werden sich beweisen müssen. Viele Ägypter werden es vorziehen Parteien zu wählen, die sich auf Politik konzentrieren. Tatsächlich sind vielen Gruppierungen wie die
Bruderschaft
und die
Gamaat al Islamia
wegen ihrer Vergangenheit und der undurchsichtigen Struktur suspekt. Sie mögen vielleicht zu ihrer religiösen Erbauung langbärtige Prediger
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