Wir wollen Freiheit
sagt er. Auf längere |191| Sicht werde dies sicherlich auch auf das Bild der Muslime und damit auf das Zusammenleben in Deutschland abfärben.
Yasmina Abdel Kader ist eine weitere von rund 30 jungen Muslimen in Deutschland, die ich in den vergangenen Monaten zu diesem Thema befragt habe. In einer Email schreibt die 2 1-jährige Herausgeberin der muslimischen Jugendzeitschrift
CUB E-Mag
aus Hamburg: »Das Einzige, was viele von uns bisher mit ihrer arabischen Herkunft verbanden, war das ›Anders sein‹. Einige schämten sich dafür sogar. Nur nicht auffallen, war die Devise. Die Revolution beeinflusst meiner Meinung nach den Alltag eines Muslims in Europa also allein schon deswegen, weil er durch dieses neue Verständnis für seine eigene Identität ein selbstbewussteres Auftreten in der Gesellschaft hat. Bisher hatten viele das Gefühl, dass sie als rohe ›Hinterwäldler‹ gesehen wurden, die außer Feilschen und Rumgröhlen nichts anderes vorzuweisen haben. Wenn ich den Leuten nun von der Herkunft meines Vaters erzähle, assoziiert man damit zunehmend die Begriffe: ›Urlaub‹ und ›Revolution‹. Eine merkwürdige Mischung, aber dies löst vielleicht ja die Debatte um die ›Beschneidung der muslimischen Ägypterinnen‹ ab, die bis vor ein paar Jahren das Bild von Ägypten dominierte«, so Yasmina Abdel Kader. Allerdings sei der Wandel in den Köpfen doch noch nicht so weit, dass sie mit den Heldinnen der Revolution am Nil, mit Azma Mahfouz etwa verglichen werde: »Viel zu sehr hat sich das Bild der unterdrückten Ayshe in den Köpfen festgesetzt. Ein einziges positives Ereignis aus dem sonst so gefährlichen islamistischen Ausland reicht einfach nicht, um das zunehmend verzerrte Bild des Ostens zurechtzurücken.«
Viele Muslime in Deutschland ärgern sich, dass sie sich rechtfertigen müssen für Terroranschläge oder wenn in entfernten Teilen der Welt Gewalt im Namen des Islam verübt wird. »Leider |192| funktioniert dieser Mechanismus nicht auch andersherum«, sagt Mohammed Hajjaj, ein 2 4-jähriger Jurastudent aus Berlin. »Es mag sein, dass die Öffentlichkeit nach den Ereignissen die Ägypter und Tunesier besser ansieht. Das positive Bild wird aber nicht auch auf den Islam bezogen«, sagt er. Die Debatte um Islam und Integration, die von Thilo Sarrazin und Co immer einmal wieder angefeuert wird und vielen jungen Muslimen das Leben schwer macht, werde von den Ereignissen nicht beeinflusst: »Das liegt daran, dass dies eigentlich eine Debatte über die deutsche Identität ist, die wenig mit den Muslimen an sich zu tun hat«, sagt er. Die Mehrheitsgesellschaft sei auf der Suche nach sich selbst und definiere sich in Abgrenzung von den »Anderen«, sprich: den Muslimen. Es gebe daher ein Bestreben der Politik, aber auch in den Medien, das Feindbild aufrechtzuerhalten.
Scheich Taha reibt sich den Bart. Er will sich den Optimismus nicht nehmen lassen. Zumal auch die ersten Vorboten des Islamischen Frühlings schon übers Mittelmeer ziehen. »Das Prinzip der Toleranz anderen Denkrichtungen gegenüber setzt sich immer mehr durch«, sagt er. »Das Brückenbauen zwischen den liberalen und den islamischen Kräften war der Schlüssel zum Erfolg, und ohne den Zusammenschluss der Gruppen in Tunesien und die Kooperation in Ägypten wäre es niemals gelungen, die Diktatoren zu stürzen«, sagt er. Dadurch sei klar, dass Toleranz anderen Ideen gegenüber nicht nur ein Prinzip der Menschlichkeit sei, sondern ein wichtiges Mittel im Kampf gegen die Diktatur.
»In der älteren Generation gab es immer noch einen Rest Menschen, die wohl von der Errichtung eines ›Islamischen Staats‹ geträumt haben«, beschreibt Monir Azzaoui, der sich im Islamischen Zentrum in Aachen engagiert, in einer Nachricht, die er über Facebook schickt. »Jetzt erkennt man, dass |193| diese Freiheitsbewegungen von vielen Gruppen getragen werden. Die islamistischen Bewegungen sind nur ein Teil davon. Jetzt gibt es eine Diskussion darüber, wie man mit diesem Pluralismus umgeht. Dabei gibt es starke Stimmen unter den Muslimen in Deutschland, die sich für einen echten Pluralismus aussprechen und davor warnen, dass die Islamisten durch eine unehrliche Strategie versuchen, diese Entwicklungen für sich zu instrumentalisieren.«
Frischen Wind und vor allem Toleranz kann der Islam in Deutschland gut gebrauchen. Auch bei uns sind die islamischen Bewegungen in den letzten Jahren in die Krise geraten. Nach den Anschlägen des
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