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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Raufelder
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und die Kälte lassen sie zittern, aber sie läuft immer weiter, damit es niemand bemerkt. Niemand soll sehen, dass sie schwach ist. Ihr Bauch knurrt so laut, als wolle er schreien. Seit dem Croissant heute Morgen mit Belinda hatte sie nichts mehr gegessen. Mit dem Handrücken wischt sie sich die Tränen aus ihrem Gesicht und kauft sich an einer der unzähligen Dönerbuden einen vegetarischen Döner und eine Flasche Wasser. Gierig verschlingt sie das weiche, warme Fladenbrot mit Käse, Salat und der leckeren Joghurtsoße.
    Jetzt da ihr Hunger und auch der Durst gestillt sind, werden all die Stimmen in ihr lauter: Was willst du tun? Wo willst du hin? Es ist schon dunkel! Kreuzberg bei Nacht ist nicht unbedingt der beste Platz für ein fünfzehnjähriges Mädchen!
    Als sie sich umblickt, trifft es Ri wie ein Schlag ins Gesicht. Das rote Auto! Es steht genau im Licht einer Straßenlaterne auf einem kleinen Parkplatz, der zu einem Club zu gehören scheint. Von der Tür des alten Passats strahlen ihr der schwarze Mond und der Stern entgegen. Ri stockt der Atem.
    Langsam nähert sie sich dem Wagen, wie man sich etwas Verbotenem nähert. Sie hat Angst – warum weiß sie auch nicht. Eigentlich müsste sie sich freuen. Vielleicht sind es die Dunkelheit und die schmutzigen Kreuzberger Ecken, die ihr ein ungutes Gefühl bereiten. Vielleicht ist es aber auch einfach das Erschrecken über ihren eigenen Mut.
    Die Scheiben des Wagens sind frei. Kein Schnee. Kein Eis. Allzu lange kann der Wagen noch nicht hier stehen, überlegt Ri. Wieder klopft ihr Herz wild und unbändig. Sie geht ganz dicht heran und beugt sich vor, bis ihre Nasenspitze die Fensterscheibe berührt, um im Inneren des Wagens einen Hinweis zu entdecken, der ihr versichert, dass das wirklich Bens Auto ist. Aber Ri kann nichts entdecken. Nur, dass es für ein altes Auto ziemlich ordentlich aussieht.
    Mit den Fingerspitzen streicht sie sanft über den aufgemalten Stern und den Mond. Das kann kein Zufall sein!
    Unruhig reibt sie ihre kalten Hände aneinander und haucht sie an, in der Hoffnung auf ein bisschen Wärme.
    Sie schaut sich um. Ein düsterer Platz, verwinkelt und verlassen. Nur die Straßenlaterne wirft einen Lichtschein über die Szene. Neben dem kleinen Parkplatz wuchert ein dichtes Gebüsch, das allerlei Ungewolltes verbergen könnte. Ri schaut es ängstlich an. Obwohl es mit der Schneedecke auch irgendwie schön aussieht.
    Am anderen Ende des Parkplatzes befindet sich der Eingang zum Club „ROMEO“, wie die roten Neonlettern darüber verkünden. Der Club muss mal eine Garage gewesen sein, denkt Ri, oder eine kleine Werkstatt. Wie ein brauner, großer Schuhkarton steht er zwischen zwei riesigen, hohen Häuserfronten, deren Fenster allesamt dunkel sind. Kein Leben in ihnen.
    Eine schwere, schwarze Eisentür, wie aus einem U-Boot, empfängt die Besucher des Clubs. Ri zögert erst, dann überquert sie den Parkplatz, bis sie vor eben dieser Tür steht, die von nahem betrachtet noch viel einschüchternder wirkt.
    „Nur für Schwule! Zutritt ab 18!“, liest Ri auf dem Schild, das unter dem Guckloch mitten auf der Tür prangt.
    Und jetzt? Ich bin weder 18, noch schwul, überlegt Ri. Sie schaut zu dem roten Passat, der immer noch friedlich im Licht der Straßenlaterne steht.
    Da hört Ri plötzlich Stimmen und es kommen zwei gutaussehende Typen lachend und herumalbernd um die Ecke. Sie rauchen und wirken aufgekratzt, wahrscheinlich in Vorfreude auf den Abend. Lässig drücken sie den Klingelknopf am Romeo. Ri, die immer noch neben der Tür kauert, würdigen sie nicht einmal eines Blickes. Sie sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Der Schwarzhaarige fasst dem blonden Typen mit den langen Haaren ständig an den Po, woraufhin dieser dann laut zu kreischen anfängt.
    Ri wünscht sich, ein Loch würde sich vor ihr auftun und sie könnte einfach darin verschwinden. In Gegenwart dieser Typen fühlt sie sich noch kleiner und dümmer. Unerfahren und schrecklich unschuldig.
    Da wird die schwere Eisentür von innen geöffnet. Ein glatzköpfiger Kerl mit Dreitagebart und einer schwarzen Lederjacke füllt mit seiner Körpermasse die ganze Tür aus. Ein Türsteher-Gorilla wie aus einem schlechten Film, denkt Ri und schluckt.
    Wortlos zwinkert der Kerl den beiden kichernden Typen zu. Ein leichtes Kopfnicken, dann macht er Platz und die beiden zierlichen Gestalten verschwinden im Dunkeln hinter der mächtigen Silhouette des Türstehers.
    „Was willst du denn hier?“,

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