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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Raufelder
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Lola – es ist offen und gleichzeitig geheimnisvoll.
    „Erzählst du mir, was damals passiert ist? Ich meine am letzten Tag bevor du geflogen bist ...“
    Ben holt tief Luft, als müsse er Anlauf nehmen.
    „An dem Tag, als du noch beim Arzt warst und ich mit Jakob Gassi gehen musste, bin ich – wie ausgemacht – in eure Wohnung gegangen, um den Kellerschlüssel aus dem Arbeitszimmer zu holen“, beginnt Ben. „Erinnerst du dich?“
    Ri nickt und betrachtet dabei seine vollen geschwungenen Lippen, die sich beim Reden so einladend verformen.
    „Gerade als ich im Arbeitszimmer die Schatulle anhob, um den Schlüssel hervorzuziehen, stand plötzlich dein Vater hinter mir und packte mich fest im Genick, sodass ich in die Knie sank. Er schrie fürchterlich und schüttelte mich. Ein Dieb sei ich, sagte er. Ein türkischer Schmarotzer!“
    „So ein Arsch!“, fährt Ri dazwischen. Sie kann nicht an sich halten, so wütend ist sie. „Das tut mir so leid, Ben!“
    Zärtlich drückt Ben Ris Hand. „Aber dafür kannst du doch nichts, Prinzessin.“
    Ri fühlt sich trotzdem schuldig. Dass Ben so verständnisvoll und gar nicht wütend ist, bereitet ihr ein noch schlechteres Gewissen. Wie oft hatte sie sich einen anderen Vater gewünscht!
    „Du kannst dir bestimmt vorstellen, dass ich mich furchtbar erschrocken habe“, erzählt Ben weiter. „Du hattest ja gesagt, dass niemand zu Hause wäre.“
    „Ich versteh das auch nicht“, sagt Ri bekümmert. „Sonst ist er immer in der Uni! Ausgerechnet an diesem Tag nicht!“
    „Kismet sagen die Türken dazu.“
    Ri schaut Ben fragend an.
    „Schicksal bedeutet das“, erklärt Ben und erzählt weiter. „Ich wand mich, um seinem festen Griff zu entkommen. Aber erst als er mit der einen Hand versuchte, die Schatulle zu öffnen, um nachzusehen, was ich seiner Meinung nach gestohlen hatte, gelang es mir auch. Ich rannte um mein Leben – so kam es mir jedenfalls vor.“
    In diesem Moment hasst Ri ihren Vater von ganzem Herzen. Der kleine Ben, der gerade seine Mutter verloren hatte und in ein fremdes Land zu einem fremden Vater musste, wurde von ihrem Vater gequält und gedemütigt. Genauso gut hätte er auf ihn eintreten können, während er hilflos und verletzt am Boden lag.
    „Ich hasse ihn“, sagt Ri.
    Aber Ben erzählt weiter, als hätte Ri nichts gesagt: „Als ich dann zu Petra kam, unserer Nachbarin, wartete dort schon die Frau vom Jugendamt auf mich und sagte, ich müsse noch heute nach Istanbul fliegen.“
    Fast nüchtern erzählt Ben von diesem Tag, als wäre er nicht aus seinem Leben. Nur ein kaum wahrnehmbares Zittern in seiner Stimme verrät den Schmerz, der dahintersteckt.
    „Ich wollte mich wehren, wollte auf dich warten, wollte dir eine Nachricht zukommen lassen. Aber alles Betteln und Bitten war vergebens. Die Frau vom Jugendamt blieb hart. Es gäbe Termine, die sie einhalten müsse. Zwei Stunden später saß ich schon in einem Flugzeug nach Istanbul.“
    Jetzt ist es Ri, die liebevoll Bens Hand drückt.
    „Von dort habe ich dir fünf Briefe geschickt“, sagt Ben nach einer Weile. „Aber ich habe nie eine Antwort erhalten. Ich dachte, du bist böse auf mich.“
    Langsam dreht er sich auf die Seite und schaut Ri an, die ihren Kopf auf die Seite dreht. Eine Träne läuft über ihre kleine Nase und bleibt auf einer Sommersprosse liegen.
    „Ich habe nie einen Brief erhalten“, sagt Ri leise. „Keinen einzigen. Und ich hatte deine Adresse nicht. Auch keine Telefonnummer. Du warst einfach weg.“
    Eingehüllt in die Vergangenheit liegen sie stumm auf Bens Bett und halten sich bei den Händen. Draußen schlägt die Kirchturmuhr viermal. Beim vierten Schlag fallen Ri die Augen zu. Wärme und Schlaf haben sie übermannt.

Ein neuer Morgen in Neukölln
    Das erste, was Ri an diesem Tag sieht, sind Bens Augen, die sie aufmerksam betrachten.
    „Guten Morgen, Prinzessin!“, flüstert er und streicht ihr dabei eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.
    „Seit wann bist du wach?“, murmelt Ri verschlafen.
    „Ich konnte nicht schlafen. Ich hatte Angst, du könntest wieder verschwunden sein, wenn ich aufwache. Dann wäre alles nur ein schöner Traum mit einem bitteren Ende gewesen.“
    Ri lächelt ihn an.
    „Ich habe dich schrecklich vermisst, Ri. Die Zeit in Istanbul war schlimm. Plötzlich hatte ich nichts und niemanden. Nicht einmal die Sprache konnte ich. Ich wollte nur ganz schnell erwachsen werden, um endlich zurück nach Berlin zu können. Zurück zu

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