Wirbelsturm
»Wieso den, wenn er zur PLO gehört?« fragte Farmad, ein vierschrötiger, fast unförmiger Bursche. »In all den Jahren waren die PLO-Leute unsere großen Freunde; sie haben uns ausgebildet, unterstützt und Waffen geliefert.«
»Weil die PLO jetzt Khomeini unterstützen wird«, erklärte Rákóczy geduldig. »Hat Khomeini nicht Arafat eingeladen, nächste Woche herzukommen? Hat er der PLO nicht den früheren Sitz der Israelischen Mission als ständiges Hauptquartier zugewiesen? Die PLO kann all die Techniker zur Verfügung stellen, die Bazargan und Khomeini brauchen, um die Israelis und Amerikaner zu ersetzen – besonders auf den Ölfeldern. Wünschst du dir vielleicht einen starken Khomeini?«
»Nein, aber die PLO war …«
»Der Iran ist nicht Palästina. Die Palästinenser sollten in Palästina bleiben. Ihr habt die Revolution erkämpft. Warum Ausländern euren Sieg schenken?«
»Aber die PLO war unser Verbündeter«, beharrte Farmad, und Rákóczy war froh, daß er den Makel entdeckt hatte, bevor dieser Junge auch nur einen bescheidenen Anteil an Macht erhalten hatte.
»Verbündete, die zu Feinden werden, sind für uns wertlos.«
»Ich stimme dem Genossen Dimitri bei«, sagte Ibrahim Kyabi, dessen Blick kalt und sehr hart war. »Wir wollen nicht, daß die PLO hier Befehle erteilt. Wenn du ihn nicht erledigst, Farmad, tu ich es. Ihn und alle diese verdammten hezbollahis.«
»Der PLO darf man nicht trauen«, setzte Rákóczy seine Lektion fort. »Seht doch, wie sie schwanken und sogar auf vertrautem Gelände ständig ihren Standpunkt wechseln! Eben noch haben sie gesagt, sie seien Marxisten, gleich darauf, sie seien Moslems, um am nächsten Tag mit dem Verräter Sadat zu flirten und ihn dann wieder anzugreifen. Wir haben Dokumente, die das beweisen, und auch, daß sie planen, König Hussein zu ermorden, die Macht in Jordanien zu übernehmen und einen Sonderfrieden mit Israel und Amerika zu schließen. Sie haben schon Geheimgespräche mit der CIA und Israel geführt. Sie sind in Wahrheit gar keine Feinde Israels.«
»Die PLO ist arrogant und sehr von sich eingenommen«, meinte Ibrahim. »Sie ist sich der Bedeutung des Iran in der Welt nicht bewußt und weiß nichts von unserer Geschichte.«
»Das ist wahr. Es sind Bauern, die sich durch den Nahen Osten und unseren Golf durchschmarotzt und sich die besten Posten gesichert haben.«
»Ja«, meinte ein anderer, »sie sind schlimmer als die Juden.«
Rákóczy lachte in sich hinein. Er hatte Freude an seinem Job, an der Arbeit mit Universitätsstudenten; das war immer ein fruchtbares Feld. Bin ich nicht ein Lehrer, fragte er sich zufrieden, ein Professor des Terrors, der Macht und der Machtergreifung? In gewisser Weise bin ich aber auch ein Bauer. Ich pflanze den Samen, hege und pflege und ernte ihn, arbeite Tag und Nacht und zu allen Jahreszeiten, wie das ein Bauer tun muß. Ach, dachte er, wenn ich Mütterchen Rußland den Iran zu Füßen legen könnte, ich hätte nicht umsonst gelebt. Glaubte ich an Gott, ich würde beten: Allah ist groß, Allah ist … Mit einemmal fröstelte ihn. So lange schon gab er vor, ein Moslem zu sein, daß seine Tarnung manchmal sein wahres Selbst übermannte.
Bin ich noch immer Igor Mzytryk, Hauptmann im KGB, verheiratet mit meiner Liebsten Delaurah, meiner schönen Armenierin, die in Tiflis auf meine Rückkehr wartet? Ist sie jetzt daheim, sie, die im geheimen an Gott glaubt? An den Gott der Christen, der der gleiche ist wie der Gott der Moslems und der Juden?
Gott hat unzählige Namen. Gibt es einen Gott?
Es gibt keinen Gott, sagte er sich wie in einer Litanei, stellte den Gedanken in sein Fach zurück und konzentrierte sich auf die zu erwartende gewalttätige Auseinandersetzung.
Unter den versammelten Studenten stieg die Spannung; zornige Rufe flogen hin und her. »Wir haben unser Blut nicht vergossen, damit die Mullahs jetzt die ganze Macht an sich reißen! Brüder und Schwestern, haltet zusammen! Vereinigt euch unter dem Banner der Tudeh …«
»Nieder mit der Tudeh! Schließt euch zur heiligen Sache des islamischen Marxismus zusammen! Wir Mudjaheddin haben unser Blut vergossen, wir sind die Märtyrer von Imam Ali und Lenin …«
»Nieder mit den Mullahs und Khomeini, dem Erzverräter am Iran …«
Kritisch beobachtete Rákóczy die Menge. Noch war sie Stückwerk, formlos, noch kein Mob, der wie eine Waffe geführt und eingesetzt werden konnte. Einige Umstehende, religiöse Fanatiker, beobachteten die
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