Wirbelsturm
bereitet euch auf den Überfall vor – morgen oder übermorgen. Das Komitee wird euch den Befehl geben.« Er eilte davon und verschwand in der Nacht.
In Locharts Wohnung: 19 Uhr 30. Mit geschlossenen Augen, den Kopf auf einem Gummikissen, das Haar in ein Handtuch gebunden, lag Scharazad in einem Schaumbad. »O Azadeh, Liebste«, murmelte sie schläfrig, während Schweiß auf ihrer Stirn perlte, »ich bin ja so glücklich.«
Auch Azadeh lag in dem Bad, mit dem Kopf am Fußende. Sie genoß die Hitze, die Vertrautheit, das duftende Wasser und den Luxus – die Wanne war groß und tief und reichte bequem für beide. Aber sie hatte noch immer dunkle Ringe unter den Augen, denn es gelang ihr nicht, die Schrecken des Vortages, die Ängste bei der Straßensperre und im Hubschrauber abzuschütteln. »Wenn nur Erikki wieder da wäre!« sagte Azadeh.
»Er wird nicht mehr lange ausbleiben, wir haben ja massenhaft Zeit, Liebste. Das Dinner ist erst um neun. Wir haben noch fast zwei Stunden, um uns fertigzumachen.« Scharazad schlug die Augen auf und legte ihre Hand auf Azadehs schlanke Schenkel. »Bald ist er wieder da, dein roter Riese! Und vergiß nicht, daß ich die Nacht bei meinen Eltern verbringe: Ihr könnt die ganze Nacht nackt hier herumlaufen. Genieße das Bad, sei fröhlich und fall nicht in Ohnmacht, wenn er kommt.« Beide lachten. »Jetzt ist alles wunderbar: Du bist in Sicherheit, wir sind alle in Sicherheit – mit Allahs Hilfe hat der Imam gesiegt, und jetzt ist der Iran sicher und frei.«
»Ich wollte, ich könnte das glauben«, entgegnete Azadeh. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie furchtbar diese Leute bei der Straßensperre waren – mir war, als würde mich ihr Haß verzehren. Warum hassen sie uns, mich und Erikki? Wir haben ihnen doch nichts Böses getan, und trotzdem hassen sie uns.«
»Denk nicht mehr an sie!« Scharazad unterdrückte ein Gähnen. »Die Linken sind alle verrückt. Sie wollen gleichzeitig Moslems und Marxisten sein. Sie sind gottlos und darum verdammt. Und die Leute auf dem Land? Die Leute auf dem Land sind ungebildet, wie du nur zu gut weißt, und die meisten von ihnen sehr simpel. Sorge dich nicht – das ist vorbei, und von jetzt an wird alles besser werden. Du wirst sehen.«
»Oh, ich hoffe, du hast recht. Von mir aus braucht es gar nicht besser zu werden. Es soll nur so bleiben, wie es immer war, ganz normal.«
»Das wird es.« Scharazad fühlte sich wohl; das Wasser war so ölig und warm. Ach, dachte sie, nur noch drei Tage, bis ich es genau weiß, und dann kann Tommy Vater sagen, daß … O ja, natürlich wünscht er sich Söhne und Töchter und dann, am nächsten Tag, dem großen Tag, sollte ich es sicher wissen, obwohl ich mir jetzt schon sicher hin. Habe ich meine Tage nicht immer pünktlich gehabt? Tommy wird so stolz sein. »Der Imam tut das Werk Allahs. Darum muß einfach alles gut sein.«
»Ich weiß nicht, Scharazad, aber in unserer ganzen Geschichte haben sich die Mullahs noch nie des Vertrauens der Gläubigen würdig erwiesen. Sie waren immer nur Parasiten am Leib des Volkes.«
»Aber jetzt ist es anders«, entgegnete Scharazad, die eigentlich gar keine Lust hatte, über so ernste Dinge zu diskutieren. »Jetzt haben wir ein richtiges Oberhaupt. Ist Khomeini nicht der Frömmsten einer? Und so bewandert im Islam und seinen Gesetzen! Vollbringt er nicht Allahs Werk? Hat er nicht das Unmögliche möglich gemacht? Den Schah und seine korrupten Ratgeber davongejagt und die Generäle daran gehindert, zusammen mit den Amerikanern einen Staatsstreich durchzuführen? Vater sagt, wir sind jetzt sicherer, als wir es je waren.«
»Sind wir das?« Azadeh mußte an Rákóczy denken und an das, was er im Hubschrauber über Khomeini gesagt hatte: daß er eine rückschrittliche Politik verfolgte. Sie wußte, daß viel Wahres daran war, sehr viel Wahres. Sie hatte Khomeini gehaßt, denn natürlich war er einer von jenen, die sich der einfältigen Mullahs bedienen würden, um alle anderen zu knechten. »Willst du von islamischen Gesetzen aus der Zeit des Propheten – fast 1.500 Jahre ist das her – regiert werden? Dich mit dem aufgezwungenen Tschador und dem Verlust unserer so schwer erkämpften Rechte abfinden, dem Recht zu wählen, zu arbeiten und dem Mann gleichgestellt zu sein?«
»Ich will weder wählen noch arbeiten, noch einem Mann gleichgestellt sein. Ich will nur meinem Tommy eine gute Frau sein, und im Iran ziehe ich persönlich den Tschador auf der Straße gern
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