Wirbelsturm
wir an, Dimitri!« sagte er; die Rufe der Menge ließen wilde Wut in ihm aufsteigen.
»Wir müssen noch warten, Ibrahim«, sagte Rákóczy sanft. Er war froh, den Jungen bei sich zu haben. »Vergiß nicht: Der Mob ist ein Mittel zum Zweck. Erinnere dich an unseren Plan!« Sie waren wie vor den Kopf gestoßen gewesen, als er sie vor einer Stunde in diesen Plan eingeweiht hatte.
»Die Amerikanische Botschaft überfallen?«
»Ja, ein Überraschungsangriff – morgen oder übermorgen. Heute abend wird aus dieser Kundgebung ein Volksaufstand werden. Die Botschaft ist nur ganze zwei Kilometer von hier entfernt. Es wird ganz leicht sein, den Mob aufzuwiegeln und in diese Richtung zu dirigieren. Ist ein Tumult nicht die beste Tarnung für einen Überfall? Wir lassen die uns feindlich gesinnten Mudjaheddin und Fedajin gegen die religiösen Fanatiker kämpfen und sehen zu, wie sie einander die Köpfe einschlagen, während wir die Initiative ergreifen. Heute abend säen wir den Samen aus, morgen oder übermorgen überfallen wir die Amerikanische Botschaft.«
»Aber das ist unmöglich, Dimitri, völlig unmöglich!«
»Es ist sogar leicht. Nur einen Überfall, keine Besetzung, die kommt später. Ein Überfall ist unerwartet und einfach auszuführen. Man kann leicht in die Botschaft eindringen und den Botschafter und alle eine Stunde lang gefangenhalten, während man das Haus plündert. Amerikaner sind nicht mutig und werden kaum Widerstand leisten. Hier sind die Pläne der Anlagen und die Stellungen der Marines, und ich werde dabei sein, um euch zu helfen. Ihr werdet in der ganzen Welt Schlagzeilen machen und Bazargan sowie Khomeini, noch mehr aber die Amerikaner selbst in tödliche Verlegenheit bringen. Vergeßt nicht, wer unser eigentlicher Feind ist, und daß ihr jetzt schnell handeln müßt, um Khomeini die Initiative zu entreißen …«
Es war leicht gewesen, sie zu überzeugen. Es wird leicht sein, ein Ablenkungsmanöver zu inszenieren, dachte er, und es wird leicht sein, das Büro und den Funkraum der CIA im Souterrain zu stürmen, den Safe zu sprengen und alle Dokumente und Code-Bücher herauszuholen; dann über die Hintertreppe in den zweiten Stock hinauf, links den Gang hinunter, das dritte Zimmer links, das Schlafzimmer des Botschafters, zum Safe hinter dem Ölbild über dem Bett, und auch diesen sprengen und ausräumen. Plötzlich, schnell und, wenn der Feind sich wehrt, mit Gewalt.
»Dimitri! Sieh doch!«
Rákóczy wirbelte herum. Hunderte von jungen Burschen – hezbollahis und Mullahs an der Spitze – kamen die Straße herunter. Sofort brüllte Rákóczy: »Nieder mit Khomeini!« und feuerte eine Salve in die Luft. Die unverhofften Schüsse brachten die Studenten zur Raserei. Sie schrieen sich an, und gleichzeitig gingen im ganzen Vorhof die Gewehre los. Die Menge fing an, wegzulaufen, in der Hast trampelte einer den anderen nieder, und es erhob sich ein fürchterliches Geschrei.
Noch bevor er ihn zurückhalten konnte, sah Rákóczy, wie Ibrahim auf die angreifenden hezbollahis zielte und feuerte. Einige Männer in den ersten Reihen fielen, ein Wutgebrüll setzte ein, und nun eröffneten die Angreifer das Feuer. Fluchend ließ sich Rákóczy zu Boden fallen. Der Kugelregen ging daneben, aber es erwischte Farmad und andere in seiner Nähe, nicht jedoch Ibrahim und die restlichen drei Tudeh-Führer. Auf sein Zurufen warfen auch sie sich zu Boden, während von panischem Schrecken erfaßte Studenten nun mit Karabinern und Pistolen loslegten.
Schon viele waren verwundet, bevor der vierschrötige Mudjaheddin, den Rákóczy zur Exekution vorgesehen hatte, seine Männer um sich scharte, zum Angriff auf die religiösen Fanatiker überging und sie zurückschlug. Sofort kamen andere ihm zu Hilfe, und der Rückzug der Fanatiker wurde zur wilden Flucht.
Rákóczy packte Ibrahim, der gerade blind in die Menge feuern wollte, am Arm.
»Mir nach!« befahl er und schob Ibrahim und die anderen weiter auf die geschützte Seite des Vorhofs; nachdem er sich vergewissert hatte, daß ihm alle Genossen gefolgt waren, machte er sich mit ihnen eilig aus dem Staub.
Bei einer Wegkreuzung im schneebedeckten Universitätsgarten blieb er kurz stehen, um Atem zu schöpfen. Der Wind war eisig, und die Nacht nicht mehr fern.
»Was ist mit Farmad?« keuchte Ibrahim. »Er wurde verwundet.«
»Er ist tot«, entgegnete Rákóczy. »Kommt, gehen wir! Und stellt euch nicht so an! Kehrt in eure Wohnungen oder Wohnheime zurück und
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