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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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verzerrtem Gesicht. »Natürlich haben ihm alle gedient. Er war ja der Schah, aber wir haben für die Revolution gearbeitet … Der Schah war der Schah, und natürlich haben ihm alle gedient, solange er an der Macht war.«
    »Der Imam hat das nicht getan«, entgegnete Yusuf, und seine Stimme war plötzlich rauh. »Der Imam Khomeini hat dem Schah nicht gedient. Im Namen Allahs, hat er ihm gedient?« Langsam blickte er von einem zum anderen. Keiner antwortete.
    Bakravan sah, wie der Mann in seine zerrissene Tasche griff, einen Zettel herauszog und ihn genau betrachtete, und er wußte, daß er der einzige hier war, der diesem Alptraum vielleicht ein Ende bereiten konnte.
    »Auf Befehl des Islamischen Revolutionären Komitees und Ali'allah Uwaris«, fing Yusuf an zu lesen, »Halsabschneider Paknouri, du sollst vor Gericht gestellt werden. Unterwirf dich …«
    »Nein, Exzellenz«, protestierte Bakravan energisch, aber höflich, während sein Herz in schweren Schlägen klopfte. »Wir sind hier im Basar. Sie wissen, daß der Basar von jeher seine eigenen Gesetze und seine eigenen Anführer hat. Emir Paknouri ist einer dieser Anführer. Er kann weder verhaftet noch gegen seinen Willen fortgebracht werden.« Furchtlos blickte er den jungen Mann an. Er wußte, daß er im Recht war. Nicht einmal die SAVAK hatte es je gewagt, die Gesetze des Basars in Frage zu stellen oder gegen das Asylrecht zu verstoßen.
    »Steht das Gesetz des Basars über dem Gesetz Allahs, Geldverleiher Bakravan?«
    Ein eisiger Schrecken durchfuhr ihn. »Nein, natürlich nicht.«
    »Gut. Ich gehorche Allahs Gesetzen und tue Allahs Werk.«
    »Aber Sie dürfen keinen …«
    »Ich tue Allahs Werk.« Arglos war der Blick des Mannes unter seinen schwarzen Brauen. »Ich brauche diese Waffe nicht – keiner von uns braucht Waffen, um Allahs Werk zu tun. Ich sehne mich von ganzem Herzen danach, ein Märtyrer für Allah zu werden, weil ich dann geradewegs ins Paradies komme. Wenn es heute nacht geschehen soll, werde ich den segnen, der mich tötet, weil ich weiß, daß ich Allahs Werk vollendet habe.«
    »Allah ist groß«, sagte einer seiner Begleiter, und die anderen stimmten ein. »Ja, Allah ist groß. Aber du, Geldverleiher Bakravan, hast du heute fünfmal gebetet, wie es der Prophet vorschreibt?«
    »Selbstverständlich, selbstverständlich«, hörte Bakravan sich sagen, und er wußte, daß seine Lüge erlaubt war. Der Prophet gestattete es jedem Moslem zu lügen, wenn er das Gefühl hat, daß sein Leben bedroht ist.
    »Gut. Schweige und gedulde dich! Ich komme noch auf dich zurück.« Wieder durchzuckte es ihn eisig, als er sah, wie der Mann seine Aufmerksamkeit Paknouri zuwandte. »Auf Befehl des Islamischen Revolutionären Komitees und Ali'allah Uwaris: Halsabschneider Paknouri, unterwirf dich Allah! Du hast Verbrechen gegen Allah begangen.«
    Paknouris Mund mühte sich. »Ich … ich … ihr könnt nicht …« Er verstummte. Ein wenig Schaum quoll aus seinen Mundwinkeln. Alle beobachteten ihn: die hezbollahis ungerührt, die anderen mit Entsetzen.
    Ali Kia räusperte sich. »Jetzt hören Sie einmal zu! Vielleicht wäre es besser, die Sache auf morgen zu verschieben«, setzte er an, bemüht, seine Autorität geltend zu machen. »Dieser Irrtum hat Emir Paknouri offensichtlich aus dem Gleichgewicht …«
    »Und wer bist du?«
    »Ich bin der stellvertretende Minister Ali Kia vom Finanzministerium, Mitglied der Regierung von Ministerpräsident Bazargan, und ich schlage vor, Sie warten bis …«
    »Im Namen Allahs: Du, dein Finanzministerium, deine Regierung, dein Bazargan – sie alle haben nichts mit mir oder uns zu tun. Wir gehorchen dem Mullah Uwari, der dem Komitee gehorcht, das dem Imam gehorcht, der Allah gehorcht.« Yusuf kratzte sich zerstreut und wandte sich wieder Paknouri zu. »Hinaus auf die Straße!« befahl er. Seine Stimme war immer noch sanft, »oder wir schleifen dich hinaus.«
    Mit einem Ächzen brach Paknouri zusammen und blieb reglos liegen. Die anderen sahen hilflos zu, und der kleine Teejunge fing an zu schluchzen. »Sei still, Junge«, wies ihn der Anführer, ohne seine Stimme zu erheben, zurecht. »Ist er tot?«
    Einer der Männer hockte sich über Paknouri. »Nein. Wie es Allah gefällt.«
    »Wie es Allah gefällt. Hassan, heb ihn auf und steck ihm den Kopf in den Wassertrog!«
    »Nein«, protestierte Bakravan tapfer. »Er bleibt hier. Er ist krank und …«
    »Bist du taub, Alter?« Yusufs Stimme war schärfer geworden.

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