Wirbelsturm
wohl ohne Wodka anfangen?«
Erikki lachte. »Wir würden Brandy trinken. Hast du alles?«
»Nein, aber der Anfang ist gemacht.« Christian öffnete seine Aktentasche. »Hier sind Kopien eures Trauscheins und eurer Geburtsurkunden – Gott sei Dank, daß wir Kopien hatten. Neue Pässe für euch. Es ist mir gelungen, einen Mann in Bazargans Büro ausfindig zu machen, der dir gleich eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Monate hineingestempelt hat.«
»Du bist ein Zauberkünstler.«
»Sie haben auch versprochen, dir einen neuen iranischen Pilotenschein auszustellen, aber wann, haben sie nicht gesagt. Mit deinem Firmenausweis von S-G und der Fotokopie deines britischen Flugscheins würdest du den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, sagten sie. Azadehs Paß ist befristet.« Er schlug ihn auf und zeigte ihm die Fotografie. »Es ist kein richtiges Paßfoto, aber vorderhand genügt dieses. Laß sie hier unterschreiben, sobald du sie siehst. Hat sie seit eurer Hochzeit das Land verlassen?«
»Nein. Warum fragst du?«
»Wenn sie mit einem finnischen Paß reist – na ja, ich weiß nicht, wie weit das ihren Status als Iranerin berühren könnte. Die Behörden hier sind diesbezüglich immer schon sehr empfindlich gewesen. Khomeini scheint ja noch fremdenfeindlicher zu sein, und so werden seine Beamten wohl eine noch schärfere Gangart einschlagen. Sie könnten den Eindruck gewinnen, als verzichte sie auf ihre Staatsbürgerschaft. Ich glaube nicht, daß sie sie noch einmal einreisen lassen würden.«
Einen Augenblick lang wurden sie von lautem Geschrei der Burschen auf der Straße abgelenkt. Hunderte schwenkten die geballte Faust, und einer hatte ein Megaphon und hetzte seine Genossen noch mehr auf.
»Wie es jetzt aussieht, ist mir das schnuppe, wenn ich sie nur herausbringen kann«, sagte Erikki.
»Vielleicht sollte man ihr aber zur Kenntnis bringen, was sie riskiert, Erikki«, wandte der jüngere Mann ein. »Ich habe keine Möglichkeit, ihr Ersatzpapiere oder einen iranischen Paß zu verschaffen, aber es wäre sehr gefährlich für sie, ohne dergleichen zu reisen. Warum bittest du ihren Vater nicht, das für sie zu arrangieren. Für ihn wäre das eine Leichtigkeit. Ihm gehört doch halb Täbris.«
Erikki nickte traurig. »Ja, aber wir hatten wieder einmal Streit, bevor wir abreisten. Er mißbilligt immer noch unsere Heirat.«
»Vielleicht nur darum, weil ihr noch kein Kind habt«, meinte Christian. »Du weißt ja, wie die Iraner sind.«
»Für Kinder ist noch reichlich Zeit«, erwiderte Erikki nachdenklich. Wir werden schon noch Kinder bekommen, dachte er. Wir haben keine Eile, und Dr. Nutt sagt, Azadeh sei kerngesund. Scheiße! Wenn ich ihr das sage, wie das mit ihren iranischen Papieren aussieht, geht sie nie fort. Sage ich es ihr nicht, und man verweigert ihr die Rückreise, wird sie mir das nie verzeihen. Und ohne die Erlaubnis ihres Vaters fährt sie sowieso nicht. »Um ihr neue Papiere zu verschaffen, müßte ich nach Täbris zurück, und das möchte ich nicht.«
»Warum denn nicht, Erikki? Für gewöhnlich kannst du es gar nicht erwarten, nach Täbris zu kommen.«
»Rákóczy.« Erikki hatte ihm alles erzählt, was geschehen war, bis auf die Vorgänge an der Straßensperre und daß Rákóczy bei der Rettungsaktion noch andere Menschen getötet hatte.
Christian Tollonen schlürfte seinen Wodka. »Wo ist denn nun wirklich das Problem?«
»Rákóczy.« Erikki hielt seinem Blick stand.
Christian zuckte mit den Achseln. Zweimal schenkten sie noch nach, dann war die Flasche leer. »Prost!«
»Prost! Danke für die Papiere und die Pässe.«
Lautes Geschrei lenkte sie abermals ab. Auf dem Botschaftsgelände hatte man weitere Scheinwerfer eingeschaltet, und in den Fenstern konnte man jetzt deutlich Gesichter sehen. »Nur gut, daß sie ihre eigenen Generatoren haben.«
»Ja – und ihre eigene Heizanlage, Benzinpumpen, PX, alles.« Christian holte eine frische Flasche. »Das und ihr Sonderstatus im Iran – sie brauchen kein Visum, unterliegen keinen iranischen Gesetzen – hat viel böses Blut gemacht.«
»Mensch, ist es kalt hier drin … Hast du nicht ein paar Scheite Holz?«
»Nicht ein Stück. Die Heizung war schon abgeschaltet, als ich hier eingezogen bin – vor drei Monaten, das ist schon fast der ganze Winter.«
»Hat wohl auch seine Vorteile.« Erikki deutete auf ein Paar Damenschuhe, die sorglos auf einem Regal lagen. »Du scheinst es ja hier genügend warm zu haben, äh?«
Christian
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