Wirbelsturm
Jammer, daß er keine Kinder mit ihr gezeugt hat, was unsere Familien aneinandergeschmiedet hätte; wenigstens ein Kind, denn dann wäre es nie zu einer Scheidung gekommen, und ich hätte mir mein Leben nicht noch durch diesen Fremden, diesen Tom Lochart, erschweren müssen. So sehr sich dieser Bursche auch bemühen mag, sich unserer Lebensart anzupassen, es wird ihm nie gelingen. Und was mich das kostet, ihn dazu zu bringen, den Ruf der Familie hochzuhalten! Ich muß mit Vetter Valik sprechen und ihn noch einmal ersuchen, Lochart mit zusätzlichen Mitteln zu versehen – Valik und seine habgierigen Partner von der IHC können sich wohl leisten, das für mich zu tun, wo sie doch Millionen verdienen, das meiste jetzt in Devisen. Und was würde es sie kosten? Nichts. Sie würden das Geld als Spesen sowieso auf Gavallan und die S-G abwälzen.
»Zahl Lochart doch aus deiner eigenen Tasche, Jared, Exzellenz«, hatte Valik ihn grob angefahren, als er ihn das letzte Mal in dieser Sache angesprochen hatte. »Du bist an allem, was wir verdienen, beteiligt, und was bedeutet eine so winzige Summe für meinen Lieblingsvetter und den reichsten Bazaari in Teheran?«
»Aber Lochart könnte für alle Partner nützlich sein. Mit dem neuen Plan für die Zukunft der IHC wird die Gesellschaft reicher sein als je zuvor.«
»Ich werde unverzüglich die anderen Partner konsultieren. Es ist natürlich ihre Entscheidung, nicht meine …«
Lügner, dachte der alte Herr, während er seinen Tee schlürfte, aber wahrscheinlich hätte ich das auch gesagt. Er unterdrückte ein Gähnen. Er war jetzt müde und hungrig. Ein Schläfchen vor dem Essen würde guttun. »Tut mir leid, Exzellenzen, aber ich habe dringende Geschäfte zu erledigen. Paknouri, alter Freund, ich bin froh, daß jetzt alles seine Ordnung hat. Bleib heute nacht hier, und mach dir keine Sorgen! Meine Angestellten werden dir ein Lager bereiten. Und du, Ali, mein Freund, begleite mich zum Tor des Basars – du bist doch motorisiert, nicht wahr?«
»Ja, Allah sei Dank. Der Ministerpräsident hat darauf bestanden, daß ich einen Dienstwagen bekomme – die Bedeutung meiner Abteilung, nehme ich an.«
Zufrieden verließen die drei den Raum und stiegen die schmale Treppe hinunter, die zum offenen Laden führte. Doch ihr Lächeln erstarb, und mit einemmal hatten sie einen gallebitteren Geschmack im Mund.
Im Laden warteten die fünf hezbollahis. Mit Karabinern der US-Army bewaffnet, Anfang 20, unrasiert oder bärtig, die Kleidung verschlissen und schmutzig, einige mit Löchern in den Schuhen, andere ohne Socken, lümmelten sie auf dem Schreibtisch und den Stühlen. Schweigend stocherte der Anführer in seinen Zähnen herum, die anderen rauchten und ließen die Asche unbekümmert auf Bakravans kostbare Kaschkai-Teppiche fallen.
Bakravan fühlte seine Knie nachgeben. Wie erstarrt stand sein ganzes Personal an der Wand. Draußen auf der Straße war alles still, kein Mensch war zu sehen. Selbst die Geldverleiher von gegenüber schienen verschwunden zu sein.
»Salaam, Agha, Allahs Segen sei mit euch«, sagte er höflich und erkannte seine eigene Stimme nicht wieder. »Was kann ich für euch tun?«
Der Anführer achtete nicht auf ihn und fixierte starr Paknouri. Sein junges Gesicht war von den Narben jener parasitären Krankheit entstellt, die von Sandfliegen übertragen wird und die im Iran sehr häufig auftritt. Er hatte dunkle Haare und dunkle Augen, und seine verarbeiteten Hände spielten mit dem Karabiner. Sein Name war Yusuf Senvar – Yusuf der Maurer.
Die Stille verdichtete sich, und Paknouri konnte die Spannung nicht länger ertragen. »Es ist alles ein Irrtum«, kreischte er. »Ihr macht einen Fehler!«
»Dachtest du, du könntest der Rache Allahs entfliehen, indem du davonläufst?« Yusufs Stimme klang sanft, fast gütig, wenn auch mit unverkennbar bäuerlichem Akzent.
»Wieso Allahs Rache?« krächzte Paknouri. »Ich habe nichts Böses getan, gar nichts.«
»Nichts? Hast du nicht jahrelang für Fremde und mit ihnen gearbeitet und ihnen geholfen, den Reichtum unseres Landes davonzuschleppen?«
»Nicht, um das zu tun, sondern um Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft anzu…«
»Nicht? Hast du nicht jahrelang dem Satan Schah gedient?«
»Nein!« brüllte Paknouri. »Ich stand in Opposition zu ihm, das weiß jeder, ich stand in Oppo…«
»Aber du hast ihm trotzdem gedient und nach seiner Pfeife getanzt.«
»Alle haben ihm gedient«, stöhnte Paknouri mit
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