Wirbelsturm
aufhob und sie damit abrieb, so daß ihre Haut kribbelte und brannte, ohne jedoch zu schmerzen. Sekunden später glühte sie innerlich und äußerlich. Sie hatte einen ganzen Winter gebraucht, um sich an das Schneebad nach der Hitze zu gewöhnen. Jetzt war die Sauna ohne die Abkühlung unvollständig. Rasch rieb auch sie ihn ab, dann rannte sie ins Innere zurück, während er sich noch einige Sekunden im Schnee wälzte. Er bemerkte die empörte Gruppe von Männern um den Mullah nicht, die in etwa 50 Metern Entfernung auf halber Höhe des Hanges standen und von den Bäumen neben dem Weg fast verdeckt wurden. Erst als er die Tür zuziehen wollte, erblickte er sie.
Zornig schlug er die Tür zu. »Draußen stehen ein paar Dorfbewohner, die uns offenbar beobachtet haben. Dabei weiß doch jeder, daß der Zutritt zum Grundstück verboten ist.«
Auch Azadeh war empört, und sie zogen sich beide rasch an. Er fuhr in die warme Hose, den dicken Pullover und die Pelzstiefel, packte eine schwere Axt und stürzte hinaus. Die Männer standen noch immer dort, und er rannte brüllend, mit drohend erhobener Axt auf sie zu. Sie stoben auseinander, doch einer hob ein Maschinengewehr und schickte einen Feuerstoß in die Luft, daß es von den Bergen widerhallte. Erikki blieb abrupt stehen, sein Zorn war wie weggeblasen. Noch nie hatte ihn jemand mit einem Gewehr bedroht.
»Leg Axt weg«, befahl der Mann in holprigem Englisch, »oder ich dich töte.«
Erikki zögerte. In diesem Augenblick stürzte Azadeh zwischen sie, schlug das Gewehr zur Seite und schrie auf Türkisch: »Wie könnt ihr es wagen, hierher zu kommen! Wie könnt ihr es wagen, ein Gewehr zu tragen – seid ihr Banditen? Das ist unser Land. Verschwindet von unserem Land, oder ich lasse euch einsperren.« Sie hatte sich in ihren schweren Pelzmantel gewickelt und zitterte vor Zorn.
»Das ist das Land des Volkes«, antwortete der Mullah mürrisch, hielt sich aber außer Reichweite der Axt. »Bedecke dein Haar, Weib, bedecke …«
»Wer bist du, Mullah? Du bist nicht aus meinem Dorf. Wer bist du?«
»Ich bin Mahmud, Mullah der Hajsta-Moschee in Täbris. Ich bin keiner von deinen Lakaien«, erklärte er wütend und sprang zur Seite, als Erikki sich auf ihn stürzte. Der Mann mit dem Maschinengewehr hatte das Gleichgewicht verloren, aber ein anderer im Hintergrund entsicherte seine Waffe: »Bei Gott und dem Propheten, haltet das fremde Schwein zurück, oder ich schicke euch beide in die Hölle, wo ihr hingehört.«
»Warte, Erikki, überlasse diese Bande mir!« rief Azadeh auf Englisch. Dann schrie sie die Männer an: »Was wollt ihr hier? Das ist unser Land, das Land meines Vaters Abdullah Khan, Khan der Gorgons, von der Sippe der Kadscharen, die seit Jahrhunderten hier herrschen.« Ihre Augen hatten sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt, und sie musterte die Fremden. Es waren zehn junge Männer, alle bewaffnet, alle unbekannt bis auf einen, den Kalandar, den Vorsteher ihres Dorfes. »Kalandar, wie kannst du es wagen, hierher zu kommen?«
»Es tut mir leid, Gnädigste«, entschuldigte er sich, »aber der Mullah hat verlangt, daß ich ihn über den Waldweg und nicht über die Dorfstraße hierher führe, deshalb …«
»Was willst du, Schmarotzer?« wandte sie sich an den Mullah.
»Erweise mir Achtung, Weib!« herrschte sie der Mullah zornig an. »Bald werden wir diejenigen sein, die befehlen. Im Koran sind Strafen für Nacktheit und unzüchtigen Lebenswandel vorgesehen: die Peitsche und die Steinigung.«
»Im Koran sind Strafen für Banditen und Leute, die friedliche Menschen bedrohen und Aufstände gegen ihre Vorgesetzten und Lehnsherren anzetteln, vorgesehen. Ich bin keine eingeschüchterte Analphabetin. Ich weiß, was ihr seid und immer gewesen seid: die Schmarotzer der Dörfer und des Volkes. Was willst du?«
Vom Landeplatz kamen Leute mit Taschenlampen gelaufen, an ihrer Spitze die beiden Mechaniker Dibble und Arberry, während sich Ali Dayati vorsichtig im Hintergrund hielt. Alle wirkten schlaftrunken und besorgt, und sie hatten sich offensichtlich hastig angekleidet. »Was ist los?« fragte Dayati und musterte die Gruppe durch seine dicken Brillengläser. Seine Familie hatte den Gorgon-Khans seit langer Zeit gedient und war dafür von ihnen beschützt worden.
»Diese Hunde«, begann Azadeh wütend, »sind mitten in der Nacht aufgetaucht …«
»Hüte deine Zunge, Weib!« befahl der Mullah wütend und wandte sich an Dayati. »Wer bist du?«
Als Dayati
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