Wirbelsturm
das gesamte iranische Personal weggeschickt und zudem sicherheitshalber nur englisch gesprochen. Jetzt war er erledigt. Er hörte, wie jetzt Kia das Wort ergriff. Der Minister sprach völlig ruhig und gelassen, leugnete jede Komplizenschaft und sagte, er hätte diesen korrupten Mann, diesen üblen Burschen, nur in eine Falle locken wollen. »Allein zu diesem Zweck hat mich die Regierung des Imam, Allah schütze ihn, hierher geschickt: um die Korruption überall dort auszumerzen, wo sie im Spiel ist. Darf ich Sie zu Ihrem Glaubenseifer beglückwünschen? Wenn Sie mir gestatten, werde ich Sie sofort nach meiner Rückkehr nach Teheran dem Revolutionären Komitee und natürlich auch dem Ministerpräsidenten empfehlen.«
Hussain sah die hezbollahis an: »Ist Esvandiari schuldig oder nicht schuldig?«
»Schuldig, Exzellenz.«
»Ist Minister Kia schuldig oder nicht?«
»Schuldig!« rief Esvandiari, noch bevor die anderen antworten konnten. Einer der hezbollahis zuckte mit den Achseln. »Alle Teheraner sind Lügner.« Die anderen nickten.
Kia erwiderte höflich: »Teheraner Mullahs und Ayatollahs sind keine Lügner, Exzellenz, die Mitglieder der Revolutionären Komitees sind keine Lügner und auch der Imam, Allah schütze ihn, den man vielleicht auch einen Teheraner nennen könnte, weil er ja dort lebt. Zufällig lebe ich auch dort, obwohl ich in der heiligen Stadt Qom geboren bin.«
Einer der hezbollahis brach das Schweigen. »Was er sagt, ist wahr, Exzellenz, oder?« Er kratzte sich am Kopf. »Daß nicht alle Teheraner Lügner sind?«
»Ja, das ist wahr.« Hussain sah Kia an. Er war sich seiner Sache nicht mehr sicher. »Vor Allah: Sind Sie schuldig oder nicht?«
»Natürlich unschuldig, Exzellenz, vor Allah.« Sein Blick war ohne Falsch. Dummkopf, dachte er, glaubst du mich damit fangen zu können?
»Und wie erklären Sie den Umstand, daß Sie gleichzeitig Minister und Direktor dieser Hubschraubergesellschaft sind?«
»Der Minister …« Kia unterbrach sich, denn Esvandiari zeterte laut und erhob alle möglichen Anschuldigungen. »Tut mir leid, Exzellenz, aber bei dem Lärm kann man sich ja nicht verständlich machen.«
»Schafft ihn hinaus!« Esvandiari wurde hinausgezerrt. »Also?«
»Der Ministerpräsident hat mich ersucht, als Vertreter der Regierung in das Gremium der IHC einzutreten. Es ist nämlich so, daß wir der Loyalität der Direktoren keineswegs sicher sind. In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen auch privat mitteilen, daß in wenigen Tagen alle ausländischen Flugzeuggesellschaften verstaatlicht werden …«
Er sprach in vertraulichem Ton zu ihnen und modulierte die Stimme, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Als er dann den richtigen Moment für gekommen hielt, verstummte er und seufzte: »Wie Sie, Exzellenz, bin ich ohne Fehl. Und wenn mir auch die große Berufung versagt geblieben ist, habe ich mein Leben doch dem Dienst an meinem Volk gewidmet.«
»Allah schütze Sie, Exzellenz!« stieß ein hezbollahi hervor. Die anderen stimmten ein, und selbst Hussain hegte kaum noch Zweifel. Er wollte noch ein wenig tiefer bohren, doch da hörten sie einen Muezzin vom Stützpunkt zum Abendgebet rufen. Hussain schalt sich, weil er sich von Allah hatte ablenken lassen. »Gehen Sie mit Allah, Exzellenz«, beendete er die Verhandlung und erhob sich.
»Danke, Exzellenz. Möge Allah Ihnen und allen Ihren Mitstreitern helfen, unsere große islamische Nation vor den bösen Absichten Satans zu bewahren!«
Hussain ging allen voran nach draußen, wo sie sich einer rituellen Säuberung unterzogen, nach Mekka wandten und beteten: Kia, die hezbollahis, das Büropersonal, Handlanger, Küchenarbeiter – alle glücklich und zufrieden, daß sie noch einmal Allah ihre Unterwerfung bezeugen konnten. Nur Esvandiari weinte, während er in tiefster Verzweiflung seine Gebete verrichtete. Kia kehrte alleine ins Büro zurück. In der Stille setzte er sich hinter den Schreibtisch und gestattete sich einen heimlichen Seufzer und viele heimliche Glückwünsche. Wie kann es dieser Hundesohn Esvandiari wagen, mich anzuschwärzen! Mich, den Minister Kia! Möge Allah ihn und alle Staatsfeinde verbrennen!
Draußen krachte eine Salve.
Ruhig nahm Kia eine Zigarette heraus und zündete sie an. Je früher ich diesen Misthaufen verlassen kann, desto besser, dachte er.
57
Lengeh: 18 Uhr 50. Der Sonnenuntergang sah bedrohlich aus; dicke schwarze Wolken zogen sich fast über den ganzen Himmel. »Bis morgen wird die Wolkendecke
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