Wirbelsturm
Scragger starrten ihn mit offenem Mund an. »Warum zum Teufel hat er das getan?« fragte Vossi entsetzt. Scragger drückte sich etwas ordinärer aus.
»Es war Dienstag, Scrag, und die anderen hatten sich bereits eingeschifft. Natürlich war ein Polizist dabei, um sie zu verabschieden und zu zählen. Und bei der Gelegenheit verlangte er unsere Pässe. Masoud gab sie ihm. An seiner Stelle hätte ich es wahrscheinlich auch getan.«
»Was wollte er denn damit?«
Willi erklärte es ihm geduldig. »Er wollte unsere Aufenthaltsgenehmigungen neu ausfertigen lassen, mit Khomeinis Unterschrift. Wir sollten alles legal haben – du hast ihn doch oft genug darum gebeten, nicht wahr?« Scragger stieß eine Flut von Verwünschungen aus.
»Wir müssen sie zurückbekommen, Scrag«, sagte Vossi mit zitternder Stimme. »Wir müssen sie einfach wiederhaben, oder wir können über ›Wirbelsturm‹ ein Kreuz machen.«
»Das weiß ich, Sportsfreund.« Scragger überlegte fieberhaft.
»Vielleicht können wir in Al Schargas oder Dubai neue bekommen«, meinte Willi. »Wir sagen, wir hätten sie verloren.«
»Menschenskind, Willi«, explodierte Vossi, »die würden uns so schnell in den Knast stecken, daß uns Hören und Sehen vergeht. Und ohne meinen kann ich sowieso nicht weg. Der ist ja voll von Visa für alle Golfstaaten, Nigeria, das Vereinigte Königreich und weiß Gott noch was alles. Ich würde Monate brauchen, um sie alle wieder zusammenzubekommen, wenn überhaupt. Und wie steht's mit Al Schargas? Ein wunderschönes Plätzchen, aber ohne Paß und gültiges Visum hieße es auch dort: ab in den Knast!«
»Du hast leider recht, Ed. Und dazu kommt noch, daß morgen der heilige Tag ist und niemand auch nur den kleinen Finger rührt. Weißt du, wer der Polizist war, Willi? Einer von den offiziellen oder ein hezbollahi?«
»Es war der Alte, der Graubart.«
»Qeschemi? Sergeant Qeschemi?«
»Ja, genau der.«
Wieder stieß Scragger einen Fluch aus. »Wenn der alte Qeschemi sagt, daß wir bis Samstag oder bis Samstag in einer Woche warten müssen, dann ist daran nicht zu rütteln.« In diesem Bezirk übten die Polizisten ihre Tätigkeit immer noch so aus wie früher, als Teil des Militärs, nur daß sie jetzt die Rangabzeichen des Schahs abgelegt hatten und grüne Armbinden mit dem Namen Khomeinis trugen. »Mit dem Abendessen braucht ihr nicht auf mich zu warten.« Scragger stapfte in die Dämmerung hinaus.
Auf dem Polizeirevier: 19 Uhr 32. Der Corporal gähnte und schüttelte höflich den Kopf, während er auf Persisch zu Ali Pasch, dem Funker des Stützpunkts, sprach. Scragger hatte ihn als Dolmetscher mitgebracht. »Sie wollten sich nach den Reisepässen der Fremden erkundigen? Die Pässe sind im Safe, wo sie hingehören«, sagte der Corporal. »Reisepässe sind wertvolle Dokumente, und darum müssen wir sie einschließen.«
»Völlig korrekt, Exzellenz, aber der Captain würde sie gerne zurückhaben. Er sagt, er braucht sie für einen Personalaustausch.«
»Selbstverständlich kann er sie zurückhaben. Sie sind doch sein Eigentum. Haben er und seine Männer in all den Jahren nicht schon viel für unser Volk getan?«
»Gewiß, aber er kann sie nicht zurückbekommen, solange der Schlüssel nicht zum Vorschein kommt.«
»Gewiß, Exzellenz, sobald der Safe geöffnet wird.«
»Könnte man ihn nicht gleich öffnen? Der Fremde würde Ihre Liebenswürdigkeit sehr zu schätzen wissen.« Ali Pasch war ebenso höflich und verbindlich wie sein Gesprächspartner und wartete, bis dieser mit der Information herausrückte, die er benötigte. Er war ein gutaussehender Iraner Ende 20, der seine Ausbildung an der U.S. Radio School in Isfahan erhalten und drei Jahre bei der IHC in Lengeh gearbeitet hatte. »Darf ich fragen, wo sich der Schlüssel befindet, Exzellenz?«
Der Corporal deutete auf den großen altmodischen Panzerschrank, der das Büro beherrschte. »Sie sehen ja selbst, Exzellenz, der Schlüssel ist nicht an seinem Haken. Sehr wahrscheinlich hat der Sergeant ihn hei sich.«
»Wie weise und korrekt, Exzellenz. Wahrscheinlich ist Seine Exzellenz, der Sergeant, jetzt zu Hause?«
»Seine Exzellenz wird morgen wieder hier sein.«
»Am heiligen Tag? Wie gesegnet sind wir doch, daß unsere Polizisten eine so pflichtbewußte Haltung erkennen lassen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß er sehr früh kommen wird.«
»Der Sergeant ist der Sergeant, aber das Büro macht um 7 Uhr 30 früh auf. Das Revier ist natürlich Tag und
Weitere Kostenlose Bücher