Wirbelsturm
sie hier übernachten mußten. Auf der anderen Seite der Lichtung pißte Jean-Luc mit einer Zigarette im Mundwinkel lässig an einen Baum. »Frier dir nichts ab, Luc!« rief Lochart, und der andere wackelte fröhlich mit dem Strahl.
»He, Tom!« Jordon winkte ihm.
Tom tauchte unter dem Leitwerksträger durch und ging zu dem Mechaniker. Sein Herzschlag setzte eine Sekunde lang aus. Jordon hatte ebenfalls eine Abdeckplatte abgenommen: Im Fahrgestell befanden sich direkt oberhalb des Tanks zwei Einschüsse. Einen Sekundenbruchteil später, und die Treibstofftanks wären in die Luft geflogen, dachte er. Wenn ich den Blattverstellhebel nicht nach vorn gestoßen hätte, wären wir dran gewesen. Hundertprozentig. Man hätte uns vom Hang kratzen können. Und wofür? Jordon stieß ihn an, sein Zeigefinger folgte der Spur der Kugeln. Auch der Rotorschaft hatte einen Treffer abbekommen. »Wieso er die verdammten Rotorblätter verfehlt hat, verstehe ich nicht«, brüllte er. Die rote Wollmütze, die er immer trug, hatte er sich über die Ohren gezogen.
»Wir waren noch nicht fällig.«
»Was?«
»Nichts. Hast du noch etwas gefunden?«
»Verdammt noch nichts. Bist du in Ordnung, Tom?«
»Klar.«
Ein plötzlicher Krach, und alle fuhren erschrocken herum, aber es war nur ein großer Ast gewesen, der unter der Schneelast auf den Boden gestürzt war.
» Espèce de con«, murmelte Jean-Luc ärgerlich und schaute zum Himmel hinauf, weil ihm klar war, daß es schnell dunkel wurde. Dann zuckte er mit den Achseln, zündete sich eine Zigarette an und schlenderte davon. Dabei stampfte er mit den Füßen, um sie zu erwärmen.
Jordon fand auf seiner Seite keine weiteren Schäden. Die Minuten verrannen. Rodrigues murmelte und fluchte immer noch vor sich hin, während er mit einem Arm in den Leitungen herumfuhrwerkte. Hinter ihm drängten sich die anderen in sicherer Entfernung von den Rotorblättern zusammen und beobachteten ihn. Der Krach war unerträglich, die Lage ungemütlich, das Licht noch gut, doch es nahm ständig ab. Sie hatten noch gute 30 Kilometer vor sich, und in diesen Bergen gab es keine andere Orientierungshilfe als den kleinen Leitstrahl ihrer Basis, der noch dazu nur funktionierte, wann es ihm paßte. »Macht um Himmels willen weiter!« murmelte jemand. Ja, dachte Lochart, zeigte aber seine Unruhe nicht.
In Schiras hatten ihnen die beiden Piloten und die beiden Mechaniker, die sie abgelöst hatten, zugewinkt und waren dann zur gesellschaftseigenen 125 gerannt, einem achtsitzigen, zweistrahligen, privaten Düsenjet für den Transport von Personen oder Sonderfracht. In ihm waren sie nach ihrer Heimkehr von einem einmonatigen Urlaub vom internationalen Flughafen in Dubai über den Golf gekommen. Lochart und Jordon waren in England gewesen, Jean-Luc in Frankreich, und Rodrigues hatte an einer Safari in Kenia teilgenommen. »Was zum Teufel soll die Eile?« hatte Lochart gefragt, als das kleine, zweistrahlige Düsenflugzeug dichtmachte und davonrollte. »Der Flughafen ist noch immer nur beschränkt in Betrieb, weil fast das ganze Personal streikt. Aber mach dir deswegen keine Sorgen!« hatte Scot Gavallan in seiner schnoddrigen Art geantwortet. »Sie müssen starten, bevor der übereifrige, kleine Scheißknilch im Tower, der sich für ein Geschenk Gottes an die iranische Flugsicherung hält, die verdammte Starterlaubnis widerruft. Wir verduften lieber, bevor er auf die Idee kommt, uns das Leben sauer zu machen. Schafft euer Zeug an Bord!«
»Wie steht es mit dem Zoll?«
»Der streikt noch immer, alter Junge. Wie alle anderen – auch die Banken sind noch geschlossen. Macht nichts, in einer Woche läuft alles wieder normal.«
» Merde «, hatte Jean-Luc geflucht. »In den französischen Zeitungen steht, daß der Iran eine einzige Katastrophe ist: Khomeini und seine Mullahs sorgen für Aufregung, die Armee ist jederzeit für einen Putsch gut, die Kommunisten stacheln alle auf, Bachtiars Regierung ist machtlos und der Bürgerkrieg unvermeidlich.«
»Was wissen die in Frankreich schon, alter Junge?« hatte Scott Gavallan leichthin gefragt, während sie ihr Gepäck verluden. »Die Fran…«
»Die Franzosen kennen sich aus, mon vieux . In allen Zeitungen kann man lesen, daß Khomeini nie mit Bachtiar zusammenarbeiten wird, weil der vom Schah ernannt wurde und jeder, der mit dem Schah in Verbindung steht, erledigt ist. Erledigt! Der alte Feuerfresser hat fünfzigmal erklärt, daß er mit keinem vom Schah ernannten Mann
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