Wirbelsturm
Gavallans Besorgnis nahm zu. Auf den Gedanken war er noch nicht gekommen. »Könnten sie so etwas tun, wenn sie wollen?«
»Ja, das geht ganz einfach.«
Sonntag
11. Februar 1979
9
In der Nähe von Bandar-e Delam: 6 Uhr 55. Es war gerade hell geworden. Lutz war in einiger Entfernung von der Rohrleitung gelandet, und jetzt standen die vier am Rand des Grabens. Die Morgensonne tat gut. Aus der Pipeline strömte noch immer Öl, aber es stand nicht mehr unter Druck. »Es kommt nur noch Restöl, das in der Leitung ist«, meinte Kyabi. »In einer Stunde müßte es versiegen.« Der fünfzigjährige, glattrasierte Gebietsmanager trug eine Brille, abgenützte Khakikleidung und einen Schutzhelm. Er sah sich zornig um. Die Erde war ölgetränkt, und der Öldunst kaum zu ertragen. »Das ganze Gebiet ist verseucht.« Er ging zu dem umgestürzten Wagen. Drei Leichen lagen in dem Wrack oder in seiner Nähe, und man roch sie bereits.
»Dilettanten?« fragte Lutz und scheuchte die Fliegen weg. »Zu früh explodiert?«
Kyabi antwortete nicht, sondern stieg in den Graben. Das Atmen fiel ihm schwer, aber er suchte sorgfältig nach Indizien. Dann kletterte er wieder auf die Straße. »Sie dürften recht haben, Lutz.« Er sah Hussain an. »Ihre Leute?«
Der Mullah wandte den Blick vom Wagen ab. »Der Imam hat keinen Befehl erteilt, Pipelines zu sabotieren. Das ist das Werk der Feinde des Islam.«
»Es gibt viele Feinde des Islam, die behaupten, Anhänger des Propheten zu sein, aber Seine Worte verdrehen und ihn und den Islam verraten«, stellte Kyabi bitter fest.
»Ich bin Ihrer Meinung, und Allah wird sie bestrafen. Sobald der Iran nach den Gesetzen des Islam regiert wird, werden wir sie ausfindig machen und in Seinem Namen bestrafen.« Hussains düsterer Blick wurde genauso hart wie der Kyabis. »Was können Sie gegen die Verschmutzung unternehmen?«
Sie hatten zwei Stunden gebraucht, um das Leck zu finden. Sie waren in 100 Meter Höhe gekreist und über das Ausmaß der Verschmutzung entsetzt gewesen. Das Öl hatte den kleinen Fluß und seine Auen überflutet, und die Strömung hatte es bereits einige Kilometer flußabwärts getragen. Dicker, schwarzer Schaum bedeckte die Oberfläche von einem Ufer zum anderen. Bis jetzt hatte der Ölschaum erst ein Dorf erreicht. Ein paar Kilometer weiter südlich befanden sich jedoch viele Dörfer. Der Fluß lieferte Wasser zum Trinken und zum Waschen, nahm aber auch die Abwässer auf.
»Abbrennen. So schnell wie möglich.« Kyabi sah seinen Chefingenieur an. »Richtig?«
»Ja, ja, natürlich. Aber was wird aus dem Dorf, Exzellenz?« Der Ingenieur war ein nervöser Iraner mittleren Alters, der den Mullah besorgt beobachtete.
»Wir evakuieren die Dorfbewohner – befehlen ihnen, das Dorf zu verlassen, bis alles vorbei ist.«
»Und wenn die Gebäude Feuer fangen?« wollte Lutz wissen.
»Dann fangen sie eben Feuer. Allahs Wille.«
»Ja«, stimmte Hussain zu. »Wie wollen Sie es abbrennen?«
»Ein Streichholz würde genügen. Dabei würden wir allerdings mitverbrennen.« Kyabi überlegte kurz. »Haben Sie Ihre Verey-Pistole an Bord, Lutz?«
»Ja.« Lutz hatte darauf bestanden, die Pistole mitzunehmen, und behauptet, daß sie ein unerläßlicher Ausrüstungsgegenstand für Notfälle sei. Starke hatte ihn unterstützt, obwohl er wußte, daß die Pistole durchaus nicht unerläßlich war. »Mit vier Leuchtkugeln. Wollen Sie …«
Alle blickten beim Geheul der heranrasenden Düsenjäger auf. Zwei Flugzeuge fegten niedrig und sehr schnell in Richtung auf den Golf über sie hinweg. Lutz schätzte, daß sie nach Kharg flogen. Es waren Kampfflugzeuge, und er hatte die Luft-Boden-Raketen in den Halterungen bemerkt. Sind die Raketen für die Insel Kharg bestimmt? fragte er sich. Hat die Revolution auch dort zugeschlagen? Oder handelt es sich nur um einen Übungsflug?
»Was glauben Sie, Lutz? Kharg?« fragte Kyabi.
»Kharg liegt genau in dieser Richtung«, bestätigte Lutz. »Vermutlich handelt es sich um einen Routineflug. Wollen Sie die Leuchtkugeln benutzen, um das Öl anzuzünden?«
Kyabi hörte ihn kaum. Seine Kleidung war schweißnaß, seine Stiefel schwarz vor Öl. Er dachte an die Revolte der Luftwaffe in Doschan Tappeh. Wenn diese beiden Piloten ebenfalls Rebellen sind und die Anlagen zerstören, wird der Iran entwicklungsmäßig um 20 Jahre zurückgeworfen, dachte er.
Als Lutz Kyabi zeitig am Morgen abgeholt hatte, war dieser über die Begleitung des Mullahs erstaunt gewesen und
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