Wirbelsturm
hatte eine Erklärung verlangt. Da verlangte der Mullah von Kyabi zornig, die Anlage stillzulegen und sich sofort für Khomeini zu erklären, worauf dieser beinahe sprachlos war. »Das ist die Revolution. Das bedeutet den Bürgerkrieg.«
»Es ist Allahs Wille«, hatte Hussain geantwortet. »Sie sind Iraner, keine Kreaturen der Fremden. Allahs Wirbelsturm hat die Konfrontation mit den Streitkräften befohlen, um sie zu unterwerfen. Mit Allahs Hilfe ersteht in wenigen Tagen die erste wahre islamische Republik auf Erden seit der Zeit des Propheten, Allahs Segen sei mit ihm.«
Kyabi hätte am liebsten wiederholt, was er oft privat geäußert hatte: Das ist der Traum eines Wahnsinnigen. Euer Khomeini ist ein böser, seniler, alter Mann; er ist nur ein engstirniger Fanatiker, der uns, das Volk und vor allem die Frauen zurück ins Mittelalter versetzen will … Doch er hatte geschwiegen. Nun beschäftigte er sich wieder mit dem Problem des Dorfes: Wenn die Gebäude Feuer fangen, können die Bewohner sie ohne Schwierigkeit wieder aufbauen. Wichtig ist nur ihre persönliche Habe. Er überwand seinen Haß: »Sie können uns unterstützen, Mullah, wenn Sie wollen. Ich wäre Ihnen für Ihre Hilfe dankbar. Sie könnten mit den Leuten sprechen.«
Die Dorfbewohner weigerten sich jedoch, das Dorf zu verlassen. Hussain erklärte ihnen zum drittenmal, daß das Feuer die einzige Möglichkeit sei, ihr Wasser und die anderen Dörfer zu retten. Dann sprach auch Kyabi zu ihnen, aber sie wollten nicht fortziehen. Inzwischen war es Zeit für das Mittagsgebet geworden. Der Mullah betete vor und befahl ihnen dann noch einmal, das Flußufer zu verlassen. Die Ältesten berieten sich und erklärten: »Es ist Allahs Wille. Wir bleiben.«
»Es ist Allahs Wille.« Hussain resignierte, drehte und ging zum Helikopter. Wieder landeten sie in der Nähe des Grabens. Jetzt tröpfelte das Öl nur noch aus der Leitung. »Gehen Sie so weit wie möglich gegen den Wind flußaufwärts, Lutz«, befahl Kyabi, »und schießen Sie eine Leuchtkugel in den Graben. Und dann eine genau in die Flußmitte. Können Sie das?«
»Ich werde es jedenfalls versuchen. Ich habe noch nie eine Leuchtpistole abgefeuert.« Lutz stapfte in das mit Büschen bestandene Ödland hinaus. Die anderen kehrten zum Hubschrauber zurück, den er in sicherer Entfernung abgestellt hatte. Als er genügend weit entfernt war, legte er die große Patrone ein, zielte und drückte auf den Abzug. Der Rückstoß war stärker, als er erwartet hatte. Die brennende Phosphorleuchtkugel flog flach über den Boden, prallte ab, stieg kurz in die Höhe und fiel dann in den Graben. Einen Augenblick lang rührte sich nichts, dann explodierte die Erde. Flammen schossen in den Himmel und verwandelten das umgestürzte Auto in einen Scheiterhaufen. Beißender Rauch wogte zum Himmel. Das Feuer breitete sich aus und raste zum Fluß.
Die zweite rote Leuchtkugel stieg hoch empor und fiel dann in den Fluß, dessen Oberfläche sofort Feuer fing. Sie hörten es mehr, als sie es sahen, doch nachdem sie wieder in der Luft waren und den Fluß gegen den Wind entlangflogen, konnten sie sehen, wie sich das Feuer rasch flußabwärts ausbreitete. Dicke, schwarze Rauchwolken zeichneten seinen Weg. Der Hubschrauber kreiste in der Nähe des Dorfes. Männer, Frauen und Kinder flohen mit den Habseligkeiten, die sie tragen konnten. Während die vier im Flugzeug zusahen, ging das Dorf in Flammen auf.
Sie flogen nach Hause. Nach Hause bedeutete für Kyabi zur Gebietszentrale von IranOil außerhalb von Ahwas, einem übersichtlichen Komplex aus weißgestrichenen Betongebäuden, gepflegten Rasenflächen und einem von einem hohen Zaun umgebenen Hubschrauberlandeplatz.
»Danke, Lutz«, sagte Kyabi, doch da befiel ihn würgende Angst, weil der Helikopter, während sie landeten, von Männern umstellt wurde, die aus ihrem Versteck gestürmt waren und brüllend die Gewehre auf sie richteten. Hinter Kyabi spielte Mullah Hussain mit seinen Gebetsperlen.
Kyabi öffnete den Sicherheitsgurt. Allahs Wille, dachte er. Ich habe getan, was ich konnte, gebetet, wie es sich gehört, und ich weiß, daß es keinen Gott außer Gott gibt und daß Mohammed sein Prophet ist. Wenn ich sterbe, werde ich die Feinde Gottes verfluchen. Vor allem den falschen Propheten und Mörder Khomeini und alle seine Anhänger.
Er drehte sich um. Sein Chefingenieur saß mit aschgrauem Gesicht steif neben Hussain. »Allahs Rache wird dich treffen, Mullah!« Kyabi stieg
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