Wirbelsturm
Tankers lag.
Das Schiff befand sich etwa 200 Meter vor der Küste von Siri. Das Be- und Entladen waren gefährliche Operationen, weil sich in den Tanks im Raum oberhalb des Rohöls flüchtige, hochexplosive Gase bildeten.
Der erste Maschinist rief zu den Männern auf dem Boot hinunter: »Schließt das Ventil!«, dann drehte er sich mit in die Höhe gestrecktem Daumen zur Brücke um. Der Kapitän erwiderte das Zeichen und wandte sich auf Japanisch an Kasigi: »Sollen wir abfahren, sobald wir können?« Er war ein magerer Mann mit strengem Gesicht, trug zu seiner weißen Mütze ein gestärktes weißes Hemd, weiße Shorts, weiße Socken und weiße Schuhe.
»Ja, Kapitän Moriyama. Wie lange wird es noch dauern?«
»Höchstens zwei Stunden, um sauberzumachen und die Vertäubojen zu katten.« Das bedeutete, daß ihr Motorboot hinausfuhr, um die Bugankerketten von den festen Bojen loszumachen und wieder an den Ankern des Schiffs zu befestigen.
»Gut.« Kasigi erklärte de Plessey und Scragger auf Englisch: »Wir sind jetzt voll und bald bereit zum Auslaufen. In ungefähr zwei Stunden sind wir wieder auf See.«
»Ausgezeichnet«, sagte de Plessey erleichtert. »Jetzt können wir uns entspannen.«
Das Füllen der Tanks war problemlos verlaufen. Die Sicherheitsmaßnahmen auf der Insel und um das Schiff waren verschärft und alles, was man überprüfen konnte, war überprüft worden. Nur drei Iraner hatten an Bord kommen dürfen. Sie wurden durchsucht und von je einem japanischen Besatzungsmitglied genau überwacht. Bei den Iranern am Ufer konnte man keine Anzeichen von Feindseligkeit wahrnehmen. »Vielleicht hat sich der arme junge Mann auf Siri 3 geirrt, Scrag, mon ami «, sagte de Plessey.
»Vielleicht«, gab Scragger zu. »Trotzdem glaube ich, daß Abdullah Turik ermordet worden ist. Wenn man von einer Bohrinsel in ruhiges Wasser fällt, zieht man sich keine solche Verletzungen im Gesicht und an den Augen zu. Der arme Kerl.«
»Die Haie, Captain Scragger«, warf der ebenfalls beunruhigte Kasigi ein. »Die Wunden könnten doch von Haien stammen.«
»Möglich. Aber ich gehe jede Wette ein, daß er tot ist, weil er mich gewarnt hat.«
»Hoffentlich irren Sie sich!«
»Die Wahrheit werden wir nie erfahren. Was hatten Sie noch gesagt, Mr. Kasigi? Karma. Das Karma des armen Kerls schlug schnell zu und war nicht sonderlich schön.«
Die anderen nickten. Sie sahen schweigend zu, wie das Schiff von der Nabelschnur des Landungsfahrzeugs gelöst wurde.
Scragger trat an die Reling der Brücke, um besser zu sehen. Im Licht der Scheinwerfer schraubten Ölarbeiter den Zwölfzollschlauch von den Ventilen des Ölbootes ab. Es waren Japaner, Iraner und ein französischer Techniker. Vor Scragger lag das flache Deck, in dessen Mitte seine 206 stand. Er war auf de Plesseys Vorschlag hin und mit Kasigis Erlaubnis dort gelandet.
»Yoshi Kasigi schlägt vor, daß wir beide über Nacht bleiben«, hatte de Plessey Scragger mitgeteilt, »und erst am Morgen zurückfliegen. Es ist eine Abwechslung für Sie, und wir können mit Kasigi und seinem Kapitän Bridge spielen. Bei Tagesanbruch fliegen wir dann nach Lengeh zurück. Kommen Sie an Bord, ich würde mich freuen!«
So war Scragger bei Sonnenuntergang auf dem Tanker gelandet. Er fühlte sich für Abdullahs Tod verantwortlich. Der Anblick des Toten hatte ihn zutiefst erschüttert, und er hatte das Bedürfnis, bis zum Auslaufen der ›Rikomaru‹ hierzubleiben.
Seit dem Augenblick, in dem das Beladen begonnen hatte, waren alle nervös gewesen, und diese Gereiztheit hatte stetig zugenommen. Die BBC hatte wieder über Zwischenfälle in Teheran, Mesched und Qom berichtet. Dazu kam McIvers Meldung, die Ayre durchgegeben hatte, und dann die zahllosen, einander widersprechenden Gerüchte, die im Umlauf waren: Eine militärische Intervention der USA stehe bevor. Eine militärische Intervention der Sowjetunion stehe bevor. Auf Khomeini, auf den von ihm ernannten Ministerpräsidenten Bazargan, auf den rechtmäßigen Premierminister Bachtiar und auf den amerikanischen Botschafter seien Mordanschläge verübt worden. Heute abend würde in Teheran der militärische Staatsstreich stattfinden, Khomeini sei bereits verhaftet worden, die Streitkräfte hätten kapituliert, der Wirbelsturm Gottes sei bereits de facto der Beherrscher des Irans und General Nassiri, der Leiter der SAVAK, sei verhaftet, verurteilt und erschossen worden.
»All diese Gerüchte können unmöglich stimmen«, hatte Kasigi ihnen
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