Wirbelsturm
Revolutionäre folgten ihnen auf der Treppe. Der Fahrstuhl war seit Wochen außer Betrieb.
Die Straße war immer noch frei, keine Menschen, keine Brände, nur in der Ferne Gewehrfeuer.
»Nicht zurückkommen. Drei Tage.«
McIver starrte sie an. »Das ist nicht möglich. Ich habe viel …«
»Gefährlich.« Der junge Mann und die übrigen Burschen warteten schweigend und beobachteten sie. Nicht alle trugen Gewehre, zwei hatten nur Knüppel. »Nicht zurückkommen. Sehr schlecht. Drei Tage, sagt Komitee. Verstehen?«
»Ja, aber einer von uns muß den Generator auftanken, sonst ist das Telex außer Betrieb, und man kann sich nicht mit uns in Verbindung setzen.«
»Telex unwichtig. Nicht zurückkommen. Drei Tage.« Der junge Mann bedeutete ihnen geduldig, sie sollten wegfahren. »Gefahr hier. Nicht vergessen! Gute Nacht!«
McIver und Lochart stiegen in ihre Autos, die auf den Abstellplätzen unter dem Gebäude standen; die neidischen Blicke waren ihnen sehr deutlich bewußt. Sie fuhren los und hielten nebeneinander, nachdem sie die zweite Ecke hinter sich hatten.
»Die Kerle haben es ernst gemeint«, stellte McIver erbittert fest. »Drei Tage? Ich kann nicht drei Tage lang vom Büro wegbleiben.«
»Tja. Was jetzt?« Lochart schaute in den Rückspiegel. Die jungen Männer waren um die Ecke gekommen und beobachteten sie. »Fahren wir lieber weiter! Ich komme in eure Wohnung«, fügte er hastig hinzu.
»Ja, aber erst morgen früh, Tom. Im Augenblick können wir nichts unternehmen.«
»Ich fliege doch nach Zagros zurück – ich sollte längst unterwegs sein.«
»Ich weiß. Bleib noch einen Tag hier und flieg übermorgen! Wenn wir die Starterlaubnis bekommen, was ich zwar bezweifle, kann Nogger den Charterflug übernehmen. Komm gegen 10!« Die Burschen kamen näher. »Gegen 10 Uhr, Tom!« wiederholte McIver, legte den Gang ein und fuhr fluchend davon.
Die jungen Männer sahen ihnen nach, und ihr Anführer Ibrahim war froh, daß die beiden Wagen weg waren, denn er wollte keine Auseinandersetzungen mit Fremden. Er wollte nicht Fremde töten oder vor Gericht stellen, nur die SAVAK, schuldige Polizisten, iranische Feinde des Irans, die den Schah zurückholen wollten und alle verräterischen marxistischen Anhänger totalitärer Systeme, die gegen Demokratie, freie Religionsausübung, freie Erziehung und freie Universitäten waren.
»Wie gern hätte ich so ein Auto, Ibrahim«, meinte einer von ihnen blaß vor Neid.
»Eines Tages wirst du eines besitzen, Ali«, antwortete Ibrahim. »Auch den Sprit, den du dafür brauchst. Eines Tages wirst du der berühmteste Schriftsteller und Dichter des Iran sein.«
»Es ist widerlich von den Fremden, ihren Reichtum so zur Schau zu stellen, wenn es im Iran soviel Armut gibt«, meinte ein anderer.
»Bald werden alle fort sein. Für immer.«
»Glaubst du, daß die beiden morgen wiederkommen, Ibrahim?«
»Hoffentlich nicht. Ich wüßte nämlich nicht, wie wir uns dann verhalten sollen. Aber wir haben ihnen ganz schön Angst eingejagt. Trotzdem sollten wir diesen Block mindestens zweimal täglich kontrollieren.«
Einer von den jungen Männern, die nur mit Knüppeln bewaffnet waren, legte ihm liebevoll den Arm um die Schulter. »Ich bin froh, daß wir dich zum Anführer gewählt haben. Du bist der beste.«
Ibrahim Kyabi war sehr stolz über diese Auszeichnung. Er war auch stolz darauf, daß er an der Revolution teilnahm, die allen Schwierigkeiten des Iran ein Ende setzen würde. Dazu war er stolz auf seinen Vater, der Gebietsmanager und einer der wichtigsten Beamten von IranOil war, seit Jahren für die Demokratie im Iran gearbeitet und Opposition gegen den Schah betrieben hatte und jetzt im neuen ruhmreichen Iran bestimmt ein einflußreicher Mann sein würde.
»Kommt, Freunde!« sagte er zufrieden. »Wir müssen noch einige Gebäude durchsuchen.«
12
Auf Siri: 19 Uhr 42. Etwas mehr als 1.100 Kilometer südwestlich von Teheran waren die Verladearbeiten mit dem japanischen 50.000-Tonnen-Tanker ›Rikomaru‹ beinahe abgeschlossen. Der Mond beleuchtete den Golf, die Nacht war lind und die Sterne funkelten am Himmel. Scragger hatte sich bereit erklärt, gemeinsam mit de Plessey das Abendessen bei Yoshi Kasigi an Bord einzunehmen. Jetzt standen sie zu dritt auf der Brücke neben dem Kapitän und beobachteten die japanischen Matrosen und den ersten Maschinisten am Einlaßschlauch, der zu dem Satz von Ventilen auf dem fest verankerten Öllandungsfahrzeug führte, das längsseits des
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