Wirrnis des Herzens
Douglas und Alexandra ein. Rechts an der Wand des Raumes stand ein langer, großer Tisch. Auf dem Tisch standen mehrere Kerzen verteilt und dazwischen lagen stapelweise alte Bücher. Einige waren ordentlich aufeinander geschichtet, andere wahllos übereinander geworfen. Ganz vom lag ein sehr altes, handgeschriebenes Buch aufgeschlagen. Die staubigen Seiten hatten sich zum Teil gelöst und waren zu Boden gefallen. Es sah so aus, als hätte jemand in großer Eile eine ganz bestimmte Stelle gesucht.
»Um Gottes willen«, sagte Alexandra mit einem Mal und wandte sich entsetzt zu Douglas um.
Am hinteren Ende des Tisches, im Dunkeln, saß Pfarrer Mathers. Vornüber gebeugt lag er über einem aufgeschlagenen riesigen, mit Blut durchtränkten Wälzer. Lose hielt er die Feder in seiner Hand. Aber weder grübelte er über einer schwierigen Textstelle, noch las oder schrieb er. Es sah aus, als schliefe er - aber sowohl Lord Beecham als auch Alexandra und Douglas Sherbrooke wussten es besser.
Pfarrer Mathers war tot, ein schmales Stilett ragte ihm aus dem Rücken.
»Lord Hobbs wird jeden Moment da sein«, sagte Lord Beecham gefasst. »Er ist seit kurzem Magistrat in der Bow Street. Ein wirklich vernünftiger Zeitgenosse, intelligent genug, um zu wissen, wann ihm etwas über den Kopf wächst, und gleichzeitig äußerst hartnäckig. Erinnern Sie sich an den Diebstahl von Lady Meltons Rubinkollier vor etwa einem halben Jahr? Lord Hobbs kam damals höchstpersönlich an den Tatort. Er sprach mit allen Anwesenden und wies dann einen seiner Männer an, die Details auszuschnüffeln.«
»Wurde das Kollier wiedergefunden?«, fragte Alexandra und nahm einen weiteren Schluck von ihrem starken indischen Tee. Dicht neben ihrem Gatten saß sie auf dem blassgrünen Brokatsofa im Salon von Lord Beechams Stadthaus. Mit verkniffenem Gesicht führte Claude, der Butler, einen großen, sehr dünnen, ganz in grau gekleideten Herrn herein. »Mord ...«, hatte Lord Beecham Claude eine Weile zuvor vor sich hin murmeln hören. »... was wird nur aus uns allen werden, wenn Ihre Lordschaft jetzt auch noch in einen Mordfall verwickelt ist?«
Lord Beecham trat einen Schritt vor und sagte zu Alexandra gewandt: »O ja, die Männer von der Bow Street, die wissen, wo die Bösewichte sich verkriechen.«
»Lord Hobbs.«
Man tauschte Gefälligkeiten aus, zwei oder drei belanglose Worte, bevor man zum eigentlichen Thema kam. Sie sprachen über König George den Dritten, der, so drückte es Lord Beecham aus, in letzter Zeit verrückt zu werden schien, und über seinen ältesten Sohn, der ebenfalls George hieß und ein solch fetter und unbeliebter Dummkopf sei, dass man auf keinen Fall zulassen dürfe, dass er eines Tages den Thron übernähme.
Sie wollten gerade auf den Mord an Pfarrer Mathers zu sprechen kommen, da erschien schon wieder Claude in der Tür.
»Ihre Lordschaft.«
»Ja. Claude?«
»Du meine Güte, Claude, jetzt gehen Sie mir doch endlich aus dem Weg. Es ist wichtig. Weg da!«
Und da stand Helen, in einem himmelblauen Umhang, ein passendes Häubchen auf den blonden Locken. Ihr Gesicht war gerötet, ungeduldig drängte sie an Claude vorbei.
Lord Beecham konnte es nicht glauben. Da war sie, eine wunderschöne, große junge Dame, seine Walküre, sein Engel, seine Amazone, hier in seinem Salon. Erst jetzt wurde ihm klar, wie sehr er sie vermisst hatte.
Er stand da und war vor Freude fassungslos.
Irgendetwas musste sie hierher getrieben haben, aber vor Lord Hobbs konnte Lord Beecham sie auf keinen Fall danach fragen.
»Willkommen, Miss Mayberry«, sagte er.
18
Die anderen im Raum völlig ignorierend, eilte Helen mit ausgestreckten Armen direkt auf Lord Beecham zu. »Spenser, mein Gott, ich musste einfach herkommen. Sie werden nicht glauben, was passiert ist, ich ...« Ihre Stimme brach ab. Helens Blick war auf Lord Hobbs gefallen. Wortlos musterte sie ihn von oben bis unten, blinzelte kurz und sagte dann: »Das ist ja eine nette Erscheinung.«
Lord Hobbs, unter den Bow Street Männern als eiskalt berüchtigt, zuckte erst zusammen, brach dann aber in schallendes Gelächter aus. »Nun, besten Dank, sehr verehrte Dame.«
»Miss Mayberry«, sagte Lord Beecham gelassen, »darf ich Ihnen Lord Hobbs vorstellen, er ist ein Magistrat aus der Bow Street. Es ist leider etwas Schreckliches passiert. Und Lord Hobbs leitet die Untersuchungen.«
»Es ist mir eine Freude, Miss Mayberry«, sagte Lord Hobbs und lächelte Helen verzückt an. Er verbeugte
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