Wirrnis des Herzens
Beecham.
»Er hat vor einiger Zeit in Ascot eine größere Summe Geld verloren. Das Pferd, auf das er gesetzt hatte, ein Hengst der Hawksberrys, fing kurz vor der Zie llin ie plötzlich an zu lahmen.
Pfarrer Older kennt eine ganze Menge Leute. Wir sollten auf ihn Acht geben. Ich werde einen meiner Lakaien damit beauftragen, den Pfarrer zu beschatten und darauf zu achten, mit wem er Kontakt hat. Was halten Sie davon?«
»Das ist eine exzellente Idee. Einer meiner Lakaien soll sich mit einem Ihrer Lakaien abwechseln, Douglas. Dann sieht Pfarrer Older nicht immer das gleiche Gesicht.«
»Ich denke, Lord Crowley sollte genauso beschattet werden«, warf Alexandra ein. »Er scheint mir sogar der Gefährlichere von beiden zu sein.«
»Sie hat Recht.« Lord Beecham nickte bedächtig. »Ich habe nur einen Lakai, der für diese Aufgabe infrage kommt. Ich werde noch heute einen zweiten anheuern.«
»Ja, das werde ich auch tun.«
»Man sagt, dass Lord Crowley Geld geradezu riechen kann«, sagte Alexandra.
»Dieser Mann riecht alles«, bestätigte Lord Beecham aus dem Fenster schauend. »Pfarrer Older ist äußerst listig. Er ist der beste Redner, den ich kenne. Eigentlich habe ich ihn immer gemocht. Ich hoffe, er enttäuscht mich nicht.«
»Ihr beiden solltet ihn mal flirten sehen. Er beherrscht diese Kunst wirklich ausgezeichnet. Ich fürchte mich beinah, es zu sagen, aber er hat auch schon einmal ein Auge auf mich geworfen.«
»Als ich ihn zum letzten Mal traf, hat er mir erzählt, dass er heiraten und sich dann nach Wessex zurückziehen würde, um das Gestüt seiner zukünftigen Gattin zu führen. Er sagte, es wäre schon immer sein Traum gewesen, Pferde zu züchten.«
»Dieser alte Lüstling«, murmelte Douglas. »Nein, nicht wegen des Gestüts, Heatherington, wegen Alexandra.«
»Wen will er denn heiraten, Spenser?«
»Lady Chomley.«
»Eine reizende Dame«, sagte Alexandra. »Und nun, Spenser, lassen Sie sich von den Zwillingen erzählen.«
Nachdem Lord Beecham sich eine Weile das Neueste über das hübscheste und intelligenteste Zwillingspaar Englands angehört hatte, sagte er: »Wenn ich zwei Leben führen könnte, hätte ich wohl auch nichts dagegen, Zwillinge zu haben. Ein Kind auf jedem Knie, eines an jeder Hand.«
Verwundert sahen Douglas und Alexandra ihn an.
»Was, wenn sie sich gleichzeitig die Kehle aus dem Leib schreien?«, fragte Douglas.
Lord Beecham zuckte mit den Schultern. »Was tun Sie in diesem Fall?«
»Ich gehe mit ihnen reiten.«
Lord Beecham nickte kurz und sah aus dem Fenster. Er wusste selbst nicht, was da eben in ihn gefahren war. Kinder waren in seinem Leben nun einmal nicht relevant, zumindest nicht in den nächsten zehn Jahren. Fünfundvierzig wäre ein gutes Alter, um einen Nachkommen in die Welt zu setzen.
Die Flure und Innenräume des Britischen Museums waren äußerst weitläufig und sehr dunkel. Jeder Schritt auf den Steinböden vervielfältigte sich ein Dutzend Mal in alle Richtungen und hallte drohend von den Wänden wider. Die Luft war kalt und feucht, sodass Alexandra den Umhang fest vor der Brust zusammenzerrte.
»In den Hinterzimmern wird es besser«, sagte Lord Beecham. »Es gibt dort Kamine und viele Kerzen. Der Raum, in dem ich mich mit Pfarrer Mathers zu treffen pflege, ist wirklich sehr behaglich.«
»Ein paar zusätzliche Fenster würden diese Räume erheblich aufwerten ...«, sagte Alexandra und schaute sich missbilligend um, »... vielleicht auch ein paar wärmende Vorhänge.«
»Hier verkehren eben nur sehr ernste Herren«, sagte Douglas und nickte dem Pförtner zu. »Die brauchen nichts als Futter für ihre intellektuellen Leidenschaften. Zeige den Stoikern einen warmen Vorhang und sie beginnen sicherlich zu zittern.«
Sie brauchten fünf Minuten, um bis zu den Hinterzimmern zu gelangen. Die Räume, die sie durchquerten, waren größtenteils völlig leer. Hier und da hielten sie an, um sich ein Ausstellungsstück anzusehen, doch es war so kühl und ungemütlich, dass sie immer wieder schnell weitergingen.
Den ganzen Weg über begegneten ihnen vielleicht ein Dutzend Männer, die entweder in kleinen Gruppen zusammenstanden oder über Manuskripte versunken dasaßen.
Endlich bog Lord Beecham in einen schmalen Seitenflügel ab, klopfte an einer der dunklen Türen und trat ein. Wohlige Wärme umfing ihn. Das knisternde Feuer im Kamin warf tanzende Schatten an die Wände.
»Pfarrer Mathers?«
Niemand antwortete.
Hinter Lord Beecham traten jetzt auch
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