Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)
aber wie sich zeigte, war er nicht der einzige Frühaufsteher.
- Wann und wo?, antwortete sie mit geradezu unheimlicher Schnelligkeit.
Er zögerte. Hätte er schon ein Auto, hätte er sie in das kleine Café in Center Habour eingeladen, das er neulich bei seiner Fahrt mit Aaron gesehen hatte. So aber mussten sie sich auf Blackwood Springs beschränken, wenn sie nicht den ganzen Tag mit dem Fahrrad unterwegs sein wollten.
- Gibt es am See ein Diner oder so was in der Richtung?
- Es gibt sogar etwas Besseres.
Aliki schickte ihm den Link zu einer GPS-errechneten Wegbeschreibung.
- Ich sehe dich dort. In einer halben Stunde?
Seth sah an sich herunter und zog eine Grimasse.
- Sagen wir lieber 45min. Bis gleich .
Er warf das Handy auf den Nachttisch und hastete durch sein Morgenprogramm. Zuletzt schnappte er sich seinen Geldbeutel und den Rucksack mit den Hämatit-Anhängern und stürmte aus dem Haus.
Die Fahrt durch Blackwood Springs war so früh am Morgen sehr angenehm. Die Luft war etwas kühl, frisch und klar, und keine Menschenseele zeigte sich. Seth radelte über die leeren Kreuzungen, vorbei an dunklen Geschäften und verhangenen Fenstern. Nur die Bäckerei hatte schon offen und die Frau hinter der Theke winkte ihm gutgelaunt zu.
Seth ließ sich von seinem Handy aus der Stadt herausführen und folgte der Straße, die sich nach einer Weile in den immer dichter werdenden Wald hineinwand. Schlagartig wurde es kälter und er war froh, seinen dicken, roten Kapuzenpulli angezogen zu haben.
Nach mindestens einer Viertelstunde im Wald ging es leicht bergauf und ein großes, altes Schild kündigte die Blackwood Lake Eatery in einer Meile Entfernung an. Seths Magen knurrte und er hoffte, dass der Laden tatsächlich schon geöffnet hatte.
Als er aus dem Wald heraus- und direkt auf den See zuradelte, verschlug es ihm für einen Augenblick die Sprache. Er hatte schon viele Dinge für schön gehalten, aber dieser Anblick übertraf alles. Die aufgehende Sonne strahlte an ein paar zarten Zirruswolken entlang über die Wipfel de s Waldes auf das nebelverhangene Wasser und tauchte es in ätherisches, gleißendes Licht. Doch nicht nur das Wasser wurde von der Sonne geküsst, auch das Restaurant, die Segelboote am Pier und die wenigen Autos leuchteten in einer unbeschreiblichen Farbmischung aus Silber und Gold.
Seth hielt an und sog das alles staunend in sich auf. Die Weite des Sees und die saftiggrüne Farbe der Bäume machten ihn glücklich . So etwas hatte er in New York noch nie erlebt.
Eine Minute oder zwei vergingen, dann riss er sich los und radelte andächtig zu dem großen Holzgebäude, das sich sowohl mit einem Schild, als auch einer Fensterschrift als die Blackwood Lake Eatery auszeichnete. Er schloss sein Fahrrad am Ständer an und begab sich auf die Suche nach Aliki.
Weit musste er nicht gehen; sie stand direkt am Wasser und schaute sich di e frühen Angler an, die in ihren kleinen Booten gemächlich mitten auf dem See trieben.
„Morgen “, grüßte er.
Sie wandte sich um und es verschlug Seth zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten den Atem. Aliki sah aus wie gemalt, eine Studie in Perfektion aus Licht und Farbe und einfach zu schön für diese Welt.
„Guten Morgen. Hast du gut hergefunden?“
„Ja, perfekt. “ Seth deutete mit dem Daumen hinter sich auf das Restaurant. „Wenn dort geöffnet ist, könnten wir uns einen Kaffee holen, oder was zu essen, wenn du möchtest.“
Aliki lächelte kaum sichtbar. „Das wäre schön. “
Sie betraten den Laden und Seth sah sich neugierig um. Es schien wirklich ein Restaurant zu sein, komplett mit weißen Tischtüchern und Servietten, aber es gab auch eine Theke an der Seite, wo man ganz unkompliziert Getränke, Snacks, Wanderkarten und allerlei Zubehör für Unternehmungen in der Umgebung kaufen konnte.
Seth bestellte einen Milchkaffee und ein Croissant für seine Begleitung und eine Flasche Wasser sowie ein Sandwich für sich selbst. Der Mann, der sie bediente, musterte sie neugierig, aber nachdem er hinter Alikis Rücken ermutigend grinste und beide Daumen hob, war Seth sich sicher, dass er kein Blackwood sein konnte. Das beruhigte ihn sehr, auf noch mehr Tratsch und übellaunige Drohungen konnte er verzichten.
Da es draußen so schön war, suchten sie sich einen kleinen Tisch direkt am Rand der Terrasse und blickten hinaus auf das beinahe vollkommen glatte Wasser.
„Danke für die Einladung“, sagte Aliki und nahm einen Schluck von
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