Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)

Mary sich ein paar Schüler herauspickte und sie von ihren Ferien erzählen ließ. Als der Neue war er selbstverständlich dran, doch irgendwie schaffte er es, nicht über sich, sondern über Haileys Serie zu sprechen, und dann klingelte es auch schon.
    „Nicht so schnell, Seth Morgan!“, rief Miss Mary über den Aufbruchlärm. „Nur eine Minute bitte.“
    Seth ignorierte die schadenfrohen Blicke der anderen und schlurfte vor zum Lehrertisch. Miss Mary reichte ihm gerade einmal bis zur Nasenspitze, und das trotz ihrer mörderisch hohen Schuhe.
    „Du bist also Seth Morgen.“
    „Sieht so aus, Miss. “
    Sie schnaubte. „Frech ist er, war ja klar. Das erklärt auch Iras blendende Laune. Jetzt hör mir mal zu, damit wir uns gleich richtig verstehen: Ich bin eine Blackwood – angeheiratet, nicht gebürtig – und das heißt, dass ich diesen kleinen Lausern das Fell über die Ohren ziehe, wenn sie es verdienen. Aber ich hoffe, du besitzt genug gesunden Menschenverstand, um es dir mit mir nicht zu verscherzen, denn wenn ich dich bestrafen muss, dann werde ich das tun.“ Sie piekste Seth mit einem spitzen Finger in die Brust und sah ihn streng an. „Ohne mit der Wimper zu zucken. Ist das klar?“
    „Ja, Ma’am. “
    „Miss, oder Mary, such es dir aus. Der Trauschein macht mich nicht zu einer alten Vettel. “
    „Uh, okay, Miss Mary. “
    „ Braver Junge. Und jetzt verzieh dich, meine nächste Klasse kommt gleich hier rein.“
    Verwirrt und ein wenig verstört stolperte Seth auf den Gang hinaus. Jos wartete schon auf ihn und blinzelte hinter seinen Brillengläsern besorgt.
    „Frag nicht “, meinte Seth.
    Also fragte Jos nicht, sondern navigierte Seth durch das Gebäude zum naturwissenschaftlichen Flügel, in dem ihre nächste Unterrichtsstunde stattfand.
    „Heute läuft alles noch normal, aber warte mal ab, wie es hier zugeht, wenn das Filmteam die Klassenräume zum Drehen braucht. Dann fehlen ständig irgendwelche Schüler, weil sie als Statisten gebraucht werden “, sagte Jos ein wenig atemlos.
    „Ganz zu schweigen von den fremden Leuten, die in der Schule rumwimmeln. “ Seth ließ sich an einer Werkbank auf einen Stuhl fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. „Alter, das ist der fieseste erste Schultag, den ich je hatte.“
    „Und er hat gerade erst angefangen. “ Mitfühlend tätschelte Jos seinen Rücken. „Was hast du für ein Sternzeichen? Vielleicht kommt heute ja noch was Gutes auf dich zu.“ Er zog eine zusammengefaltete Zeitungsseite aus seiner Tasche und strich sie glatt.
    „Er ist noch Jungfrau “, spottete Ira lautstark. Er warf sein Zeug auf die Werkbank gleich nebenan, als hätte Seths Platzwahl entschieden, dass er ihm nicht mehr von der Seite weichen wollte.
    „Einundzwanzigster September “, kicherte ein blondes Mädchen. „ Gerade noch Jungfrau, verstehst du?“
    „Oh mein Gott, ihr seid ja so unglaublich geistreich “, murmelte Seth. „Geht jemand anderen mit eurer Anwesenheit beleidigen.“
    „Jungfrau: Sehen Sie sich vor, die Menschen und Entscheidungen, die Sie heute treffen, werden Ihr weiteres Leben nachhaltig beeinflussen. “
    Ira stützte seinen Kopf auf einer Hand auf und lächelte spöttisch. „Lahm! Es ist Schulanfang, was soll das Horoskop sonst auch sagen? “
    „Lass ihn weiterlesen “, forderte das Mädchen. „Na los, Van Aelst, erzähl uns, was in der Astro-Welt so los ist.“
    „Ja, mach mal. Leider sieht Morgans weiteres Leben bisher ziemlich beschissenen aus “, ätzte Ira.
    Jos sah Seth fragend an, aber der gab ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, es hinter sich zu bringen.
    „Hüten Sie sich vor zu großem Enthusiasmus, aber lassen Sie sich auch keine Chancen entgehen, zu denen Ihr Bauchgefühl Ihnen rät. “
    „Ungenauer geht’s echt nicht. “ Ira warf einen zerknickten Schreibblock und ein paar Stifte auf den Tisch. „Kannst froh sein, dass es heute nicht die Politur deiner Visage vorhersagt, Morgan. Die steht nämlich definitiv in deinen Sternen.“
    Seth würdigte diese Aussage keiner Antwort. Jos lächelte ihn unsicher an und räumte die Zeitung wieder weg. Es klingelte einmal, und eine Minute später wieder. Schüler beeilten sich, ihre Taschen unter die Bänke zu schleudern und sich hinzusetzen.
    Genau mit dem letzten Schrillen der Glocke kam der Lehrer hinein. Er war groß, schlank, und hatte bemerkenswerte Ähn lichkeit mit Ira. Sie hatten dasselbe, dunkle Haar und sogar ähnlich graublaue Augen. Normalerweise