Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
stießen uns übertrieben rücksichtslos hinein, nahmen uns die Ketten ab und schleuderten unsere paar Habseligkeiten – den Trommelstock und das leere Buch – hinter uns auf den Boden.
»Willkommen in der Todeszelle«, sagte die Oberin noch, bevor sie die Tür zuknallte und absperrte.
Wisty
»Echt gruselig, was?«, fragte ich, als wäre es hier nicht viel schlimmer als in einer Geisterbahn im Freizeitpark. Ich bemühte mich, cool zu bleiben.
»Nicht halb so gruselig wie du, Schwesterherz«, antwortete Whit. »Nichts für ungut, aber du … äh … du leuchtest.«
Ich leuchte? Kapier ich nicht. Kapier ich kein bisschen.
»Bitte was?«, erwiderte ich. »Was soll das heißen?«
»Na, du leuchtest halt. Was ist daran so schwer zu verstehen?«
»Äh … vielleicht dass ich leuchte ? Das kann doch nicht …«
Doch als ich an mir hinabblickte, stellte ich fest, dass meine Haut, meine Kleidung, sogar die Luft, die mich in einem Umkreis von ein paar Zentimetern umgab, von einem schwachen grünlichen Licht erfüllt war. Es war hell genug, um zu sehen.
»Hast du zufällig in letzter Zeit auf einer Giftmüllkippe gespielt?«, fragte Whit. Haha.
Als ich meine ausgestreckte, bebende Hand betrachtete, strahlte sie immer heller, bis ich sogar den Blick abwenden musste. Die ganze Kammer lag in gleißendem Licht – die dunklen, dreckigen Ecken, die Berge aus Medizinabfall, die Bettpfannen, die Löcher in der Bodenleiste, durch die Ratten bequem kommen und gehen konnten.
»Igitt, ist das widerlich hier«, sagte Whit. »Sechzig Watt hätten’s auch getan, Birnchen.«
»Dann sag mir, wie ich’s steuern kann …«, erwiderte ich mit leicht zittriger Stimme.
Abgesehen von meinem traumtänzerischen Hippie-Vornamen war ich bisher nicht durch größere Absonderlichkeiten aufgefallen. Ich hatte keine ältere Schwester, die mir scheußliche Klamotten vererben könnte, im Sportunterricht wurde ich nie als Letzte in eine Mannschaft gewählt und niemand hatte mich je Brillenschlange, Zahnspangenmonster oder Fettarsch genannt. Aber jetzt war ich eine doppelte und dreifache Außenseiterin – ich war eine flammenwerfende radioaktive Hexenaußenseiterin.
Und das ist so ziemlich das Letzte, was man als Fünfzehnjährige sein will. Das könnt ihr mir glauben.
Tränen stiegen mir in die Augen. Ich sehnte mich nach meinen Eltern. »Mom? Dad?« Das Echo ihrer Namen hallte mir grausam in den Ohren.
Und Whit setzte wieder diesen irritierend besorgten Gesichtsausdruck auf. »Wisty …«
»Schhh«, zischte ich heulend. »Mom … Mom hat mir immer alles erklärt , Whit. Das mit den Bienen und Blumen, das wusste ich schon lange vor meinen Freundinnen. Oder wie sie und Dad sich verliebt haben, das war total romantisch … Und Dad … Dad hat mir von den peinlichsten Momenten seiner Schulzeit erzählt. Er hat mir gesagt, wie stolz er auf dich ist und auf mich, und es war ihm nie zu blöd, ›Ich hab dich lieb‹ zu sagen, ganz im Gegensatz zu den anderen Dads.« Ich atmete gequält ein. »Aber warum haben sie uns nie davon erzählt?«
Whit trat auf mich zu und nahm mich in den Arm. Obwohl ich immer noch strahlte wie eine Glühbirne.
»Aber das Schlimmste«, flüsterte ich, »das Schlimmste ist, dass sie mir vielleicht doch davon erzählt haben. Dass ich vielleicht bloß nicht richtig aufgepasst habe.«
Inzwischen schluchzte ich hemmungslos. Meine Tränen durchnässten Whits Overall, doch er hielt mich weiter fest, während wir beide in tiefem Schlaf versanken und mein Leuchten langsam, langsam verging.
W HIT
Was für ein Schock.
Auch diese Nacht kam Celia zu Besuch, irgendwann in den ersten paar quälenden Stunden in der neuen Zelle. Ich hatte den Lauf der Zeit aus den Augen verloren. Ich hatte die gesamte Realität aus den Augen verloren.
»Hi, Whit. Hab dich vermisst«, sagte Celia wie beim ersten Mal, aber diesmal mit einem Zwinkern. »Ich hab an dich gedacht. An früher, an die gute alte Zeit. Zum Beispiel unser erstes Date. Du hattest dein knittriges Lieblingsshirt an, dein Alley Cat -Bowlingshirt. Weißt du noch?«
Natürlich wusste ich es noch.
Mann, Mann, Mann, Celia! Was ist hier los? Bin ich verrückt geworden? Haben sie mich deshalb in die Irrenanstalt gesteckt? »Hör mir zu, Celes. Ich muss dich was fragen. Warum warst du so lange weg? Bitte sag mir, was mit dir passiert ist. Sonst werde ich noch komplett wahnsinnig.«
Celia streckte die Hand aus und berührte mich. Es war kaum zu glauben – vor allem, wenn das
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