Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
Schreien. Nicht stehen bleiben.«
Celia nickte. »Ich bin gleich hinter euch. Ach ja, die Hunde können mir natürlich nichts anhaben.«
Da kam mir ein blöder Gedanke. »Was, wenn sich die Oberin und ihre Gorillawachmänner hinter uns durch das Portal schmeißen?«
»Können sie nicht«, sagte Celia. »Außer sie sind insgeheim Kurven. Aber wenn sie Geradlinige sind, rennen sie einfach gegen die Wand. Würde ganz schön lustig aussehen.«
Aha. Wenigstens etwas, worauf wir uns freuen konnten. Geradlinige landete auf der langen Liste der Begriffe, die Celia mir bei Gelegenheit erklären musste.
Ich wischte mir die feuchten Hände an meinem Overall ab. In einer Minute würden wir »auf die andere Seite wechseln« – bildete ich es mir bloß ein oder klang das verdächtig nach sterben ?
W HIT
»Schnell, Whit! Klopf drei Mal an die Tür! Aber nicht zu sanft«, kommandierte Celia. »Mach schon! Ich muss hier langsam weg, sonst stirbt meine Seele noch.«
»Was soll das jetzt wieder heißen?«, ächzte ich.
»Hau einfach gegen die Tür! Drei Mal!«
Ich hämmerte auf die Zellentür, als ginge es um mein Leben. Es ging um mein Leben. Eine Sekunde später hörte ich ein Klicken – das Schloss war aufgesprungen.
»Was war das denn?« Ich drehte mich zu Celia um.
»Los, Whit!«, rief sie. »Der Weg ist frei.« Celia griff nach dem Türknauf – und ihr Arm glitt mitten durch die Tür. »Ach, da gewöhne ich mich nie dran. Ich kann ja nichts mehr anfassen.«
Ich riss die Tür auf, nahm Wisty an der Hand und spähte in den Flur.
Die Oberin saß nicht an ihrem Tisch, sondern unterhielt sich auf dem Gang mit ein paar Wachen, knapp dreißig Meter entfernt zu unserer Rechten. Bisher schien sie nichts bemerkt zu haben und ansonsten war niemand zu sehen. Wer – oder was – hatte die Tür entriegelt? Meine Magie? Celias? Wistys?
»Los!«, zischte Celia mir ins Ohr. Also rannte ich aus der Zelle und stürmte auf die fürchterliche Schwesternstation zu.
Kaum waren wir um die Ecke geschliddert, hörten wir, wie die Oberin hinter uns Zeter und Mordio schrie. »Haltet sie auf! Sie wollen fliehen! Löst den Alarm aus! Zielt auf ihre Köpfe! Macht keine Gefangenen!«
Sechs, sieben große Schritte später standen wir am Eingang der Wolfsallee. Der Boden zitterte unter den Schritten der Wachen und dem donnernden Stampfen der nahenden Oberin.
»Beeilung, Wisty«, keuchte ich. »Mach dein Ding. Verwandle sie in Welpen. Oder in Stoffhunde.«
Wisty näherte sich den fauchenden, bellenden Bestien, so weit es ging, und hob den Trommelstock wie eine Dirigentin, die ein Orchester aus Bluthunden anleiten wollte. Eine schöne Vorstellung, aber würde es auch funktionieren?
Im Augenwinkel sah ich, wie die Oberin an der Spitze der Wachen um die Ecke bog.
»Versteinert!« , befahl Wisty und wedelte mit dem Stab.
Zunächst tat sich nichts. Ich packte Wistys Hand und machte mich auf einen heißen Tanz mit den Kötern gefasst – als das Jaulen und Bellen einer erstickten Stille wich.
Die Hunde standen reglos vor uns. Versteinert.
Wir blickten auf erhobene Tatzen und gierig aufgerissene Mäuler. Einige Hunde balancierten auf den Hinterbeinen, mitten im Sprung eingefroren.
» Yes!« , schrie Wisty. »Ich bin eine Hexe ! Los, gehen wir!«
»Perfekt. Du bist ja unglaublich, Wisty«, sagte Celia, die gleich neben mir stand. »Da vorne ist das Portal!« Sie deutete auf das Ende des Gangs – eine kahle Mauer, die keine Anstalten machte, sich in Luft aufzulösen oder zu Schaum zu zerfließen. »Rennt, so schnell ihr könnt! Jetzt!«
Vor meinem geistigen Auge liefen die Horrorvideos, die sie uns in der Fahrschule gezeigt hatten: Crashtest-Dummys, die es in Zeitlupe in tausend Stücke zerlegte, als die Autos an einer Wand zerschellten.
Lass das , sagte ich mir. Sieg, Sieg, Sieg!
Die Oberin und ihre Handlanger waren uns dicht auf den Fersen, die Hälfte der erstarrten Hunde hatten sie bereits hinter sich gelassen. Deshalb rannte ich auf die Mauer zu wie in alten Quarterback-Zeiten – und segelte durch das Portal auf die andere Seite.
Doch Wistys Hand rutschte mir aus den Fingern. Ich hörte noch, wie sie meinen Namen brüllte. Dann war sie weg.
Wisty war weg!
W HIT
Meine Füße landeten auf einem harten Untergrund – ein Steinboden? Ich überschlug mich einmal und blieb liegen.
Schnell sprang ich wieder auf. »Wisty? Wo bist du!?«
Ich befand mich im Schattenland, doch die andere Seite war noch zu erkennen. Wie hinter einer
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