Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
übrige Chaos ein und ich ging auf die Wachmänner los. Bei jedem Schritt hinterließ ich qualmende Fußspuren. Ich musste die Kids hier rausbringen. Ich musste den Weg freiräumen.
Die Wachmänner wehrten sich kaum. Ich jagte sie durch den Gang bis in den nächsten Zellenblock. Doch dort trafen sie auf Verstärkung und versuchten, uns mit vereinten Kräften aufzuhalten. Ein Mann brüllte Befehle in ein Walkie-Talkie, die anderen klammerten sich an ihre Elektroschocker und Schlagstöcke.
Ich atmete tief ein. Sie fürchten sich vor dir , hatte das kleine Mädchen gesagt. Vor uns allen.
Die Männer schienen sich wirklich ein klein wenig zu fürchten, als eine wutentbrannte Fünfzehnjährige mit ausgebreiteten Flammenarmen auf sie zupreschte und mit irrer Stimme kreischte: »Feuer tut weeeeh! Ich bin eine Gruuuuuselhexe!«
Ich brach mitten durch ihre Reihen. Als sie aufschrien, weil ihre Uniformen Feuer gefangen hatten, verspürte ich keine Spur Mitleid. »An eurer Stelle würde ich mich auf dem Boden wälzen!«, rief ich zum Abschied noch.
»Alle raus hier!«, brüllte ich die Kids im nächsten Zellenblock an. Die aus meinem Block waren mir vernünftigerweise in einem größeren Sicherheitsabstand gefolgt. »Feuer! Alle raus! Sofort! Seht ihr die Treppe dahinten? Da geht’s raus!«
Langsam machte ich mir selbst ein bisschen Angst. So lange hatte ich noch nie gebrannt. Was, wenn ich irgendwann endgültig gegrillt war?
Doch ich musste den Gedanken beiseiteschieben – denn plötzlich strömten Hunderte magere, dreckige, verängstigte Kids an mir vorbei, und die sollten auf keinen Fall in Flammen aufgehen.
W HIT
Nachdem wir die Kids im Garfunkel’s abgesetzt hatten, ließen wir es nicht auf eine weitere Begegnung mit der Todesfallen-U-Bahn ankommen, sondern nahmen einen anderen Weg zurück zum »Oberwelt«. Da ich mir geschworen hatte, nie wieder auf Emmets Wegbeschreibungen zu hören, spielte Margo die Kopilotin. Wir saßen zu zweit im Lieferwagen, die anderen würden wir in der Nähe des Gefängnistors treffen.
Ich hatte den Wagen mit einem ziemlich gelungenen »Abrakadabra« umgestaltet – jetzt war er schmutzig dunkelblau und hatte Nummernschilder aus Idaho.
Aber das war nicht die einzige abrupte Veränderung.
Bis vor Kurzem hatte ich ausgesehen wie Mitte dreißig – bis ich mich wieder in einen Teenager verwandelt hatte, und zwar ohne Vorwarnung auf der kaputten Rolltreppe im Garfunkel’s. Ich war gestolpert und mehrere Stufen runtergekullert. Sehr elegant.
Daran erinnerte ich mich, als Margo mich Richtung Gefängnis dirigierte. Ich fragte mich, ob Wisty sich auch schlagartig in ihr altes Ich zurückverwandelt hatte. Klingt der Zauber irgendwann einfach ab, oder was?
Ich hatte keine Ahnung, wo sie war, was sie machte und in welchem Zustand ich ihr wiederbegegnen würde. Vielleicht platt wie ein Pfannkuchen? Oder mit ein, zwei Gliedmaßen weniger, die sie in einer zugeschnappten Mausefalle zurückgelassen hatte?
Margo warf mir einen beunruhigten Blick zu. »Du wirkst so besorgt, Whit. Ist irgendwas?«
»Äh … ja ?« Es klang wie: Was hast du denn gedacht? Dabei hatte ich es gar nicht so gemeint. »Machst du dir keine Sorgen?«
»Ja und nein«, antwortete sie. Als ich sie überrascht musterte, fuhr sie fort. »Ich meine, klar, wir haben keine Ahnung, was auf uns zukommt. Aber … das ist jetzt normal. Das ist mein Leben. Ich habe keine Eltern oder Geschwister mehr. Ich habe nichts zu verlieren. Aber ich habe sehr viel zu gewinnen. Ich kann deinen Eltern und den eingesperrten Kids helfen.«
Ich war sprachlos. »Es tut mir leid«, sagte ich irgendwann. Ich fragte mich, wann ich diese Worte zum letzten Mal gesagt und auch wirklich so gemeint hatte. Doch ich wusste nicht mal, warum ich sie jetzt gesagt hatte. Es schien mir einfach angebracht.
»Das muss dir doch nicht leidtun, Whit! Ich bin keine Heldin.« Margo schnaubte. »Es ist viel heldenhafter, sich dem eigenen Schmerz zu stellen, und das tust du gerade. Ich habe nicht vergessen, dass deine Schwester da drinnen ist. Und deine Eltern, die tot oder lebendig gesucht wurden. Die Liebe deines Lebens ist schon tot, aber sie erscheint dir immer noch. Ach, und dann habe ich noch gehört, dass du an deinem Geburtstag hingerichtet werden sollst …«
»Ja, das …« Ich versuchte zu lächeln. »Die Info ist veraltet. Inzwischen soll ich sofort hingerichtet werden.«
»Aber wann hast du eigentlich Geburtstag?«
Na, so was. Ich war mir nicht
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