Witch & Wizard 1 - Verlorene Welt (German Edition)
Gruselhexen-Wisty hätte einen Donnerkeil abgefeuert, um den Typen zu besseren Umgangsformen mit jungen Frauen zu ermutigen.
Aber meine Magie war tot.
Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Vielleicht so: Der eine, entscheidende Funke war erloschen.
Also was tat ich? Na, ich heulte. Ist doch klar.
Und dafür verarschten mich die Männer natürlich. »Mann, woher kommen denn die ganzen Tränen?«, lachte einer. »Haben wir dem Gör zu viel zu trinken gegeben?«
Das brachte mich auf eine brillante Idee – ich spuckte dem Typen ins Gesicht. Magie war im Moment aus, aber Spucke hatte ich noch genug.
Okay, ich hatte schon brillantere Ideen gehabt.
»Aaargh!«, brüllte der Typ, griff mir in die Haare und riss meinen Kopf zurück, bis ich fast meine Zehenspitzen sehen konnte, die hinter mir über den Boden schleiften. Noch ein bisschen weiter, und er würde mir den Hals brechen.
Jetzt wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, in Flammen aufzugehen.
Aber ich spürte keine Magie. Ich spürte nichts.
Nichts.
Nichts.
Wisty
»Das ist mir unerklärlich«, sagte der Verwalter zu den Wachen. »In den Zellenblöcken wird niemand vermisst.« Der Verwalter war ein etwas mickriger, geschniegelter Mann mit sehr aufrechter Haltung. Wahrscheinlich wollte er unbedingt vermeiden, auch nur einen halben Zentimeter kleiner zu wirken, als er war. »Gestern Abend wurden drei Häftlinge nach einem Verhör auf die Krankenstation verlegt, doch alle anderen sind nachweislich anwesend.«
Ich spürte, wie das letzte bisschen Farbe aus meinem Gesicht wich. Drei verletzte Kids nach einem Verhör!? Mein Trübsinn sank auf einen neuen Tiefpunkt. Obwohl es mich im Grunde nicht mehr überraschen sollte, dass die Neue Ordnung ihre Gefangenen folterte.
»Deshalb frage ich dich noch einmal«, sagte der Verwalter zu mir. »Aus welchem Zellenblock stammst du?«
Ich war dermaßen am Ende, dass ich kein Wort mehr herausbrachte. Der Verwalter hielt mich für ein trotziges Gör, aber die traurige Wahrheit war: Für Trotz war ich viel zu schwach.
Das Headset des Verwalters blinkte blau – ein Anruf. Er drehte sich zur Seite. »Nein, ihr Haar ist nicht vorschriftsgemäß geschnitten. Ja, es ist rot …« Seine Wangen färbten sich rosig. Er nahm eine noch aufrechtere Haltung an und musterte mich aufmerksam. »Ja, knapp eins sechzig und keine fünfzig Kilo, würde ich sagen … Jaja, exakt.« Seine Lippen krümmten sich zu einem stolzen Lächeln. »Ja, in der Tat. Ein echter Glücksfall.«
Und was er dann sagte, gab mir den Rest.
»Wenn wir jetzt noch ihren Bruder und ihre Eltern finden, ist die Allgood-Bedrohung Geschichte.«
»Was?«, kreischte ich auf.
Die Wachen schubsten mich rücksichtslos an die Wand. Niemand störte den Verwalter bei einem wichtigen Gespräch.
»Ja … liebend gerne«, fuhr er fort. »Ist schon erledigt … Nein, ich muss Ihnen gratulieren, Sir.« Das Headset schaltete sich ab und der Verwalter setzte ein spöttisches Lächeln auf.
»Meine Eltern sind gar nicht hier?«, brüllte ich ihn an, was mir den nächsten blauen Fleck einbrachte.
Der Verwalter schnaubte. »Warum sollten wir deine Eltern in einer Anstalt für Kinder unterbringen?«
»Was weiß ich? Vielleicht weil ihr alle komplett wahnsinnig seid?«
Die Wachmänner verpassten mir einen weiteren Stoß in die Rippen, während der Verwalter meinen Einwand einfach überhörte. »Oder besser gesagt … warum sollten wir sie überhaupt am Leben lassen? Dich müssen wir verhören, aber sie? Sobald wir sie in die Finger kriegen, kannst du dich offiziell als Waise betrachten. Verlass dich drauf.«
Er grinste süßlich. Doch egal wie grausam er tat, seine Worte trösteten mich sogar ein wenig. Meine Eltern waren am Leben. Sie waren frei .
»Schafft sie in Block D, Zelle vier-zwölf«, blaffte der Verwalter die Wachmänner an. Gehorsam zerrten sie mich aus seinem Büro. Bald würde ich wissen, wo ich den Rest meines kurzen Lebens verbringen würde.
Hinter den Gittern der Zellen reihten sich hohläugige Gesichter auf. Kein Gefangener war älter als sechzehn.
In meinem Inneren braute sich neue Wut zusammen. War Sasha ein Spion der Neuen Ordnung? Hatte er Whit und mich manipuliert, um uns in die Falle zu locken?
Die Wachmänner manövrierten mich eine Treppe hinauf und weiter zu Zelle 412, die wie alle anderen überfüllt war. Auch hier starrten mir ausgemergelte, hoffnungslose Gesichter entgegen. Wie lange hatten die Kids noch zu leben? Wie lange hatten wir
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