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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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unfreiwillig mit Eleanor Holts Privatleben in Berührung gekommen war, drehte sich um, weil er das hinreißende Geräusch wiedererkannte.
    Eleanor starrte Mrs. Dash und die rasch zusammenschrumpfende Luftmatratze an, als hätte man ihr vor einem gaffenden Pöbel die Kleider vom Leib gerissen.
    »Wirklich höchste Zeit, daß ich wieder in die Welt hinausgehe«, sagte Jane zu Eleanor.
    Doch zu diesem Thema – was »die Welt« ist und wann es für eine Witwe an der Zeit ist, sich wieder hinauszuwagen – hatte die blaurote Luftmatratze nur ein warnendes Wort zu sagen: »Ssst!«
    Allan mit vierundfünfzig

    Ruth hatte mit ausdrucksloser Stimme gelesen. Ihr letztes »Ssst!« schien einen Teil ihrer Zuhörer aus der Fassung zu bringen. Eddie, der das ganze Buch zweimal gelesen hatte, fand das Ende des ersten Kapitels hinreißend, aber ein Teil des Publikums zögerte einen Moment mit dem Applaus, unsicher, ob das Kapitel zu Ende war. Der dämliche Bühnenarbeiter starrte mit offenem Mund auf den Monitor, als wollte er gleich zu einem Epilog ansetzen. Aus seinem Mund kam nicht ein einziges Wort, nicht einmal eine weitere uncharmante Bemerkung über die von ihm ausgiebig bewunderten »Möpse« der berühmten Autorin.
    Allan Albright klatschte als erster, noch vor Eddie. Als Ruth Coles Lektor war ihm das »Ssst!« , mit dem das erste Kapitel endete, wohlbekannt. Der Beifall, der schließlich einsetzte, war kräftig und hielt so lange an, daß Ruth sich dem einsamen Eiswürfel auf dem Boden ihres Wasserglases zuwenden konnte. Er war immerhin so weit geschmolzen, daß ein Schluck für sie heraussprang.
    Der Frage-und-Antwort-Teil im Anschluß an die Lesung war eine Enttäuschung. Eddie litt mit Ruth, weil sie nach einem unterhaltsamen Auftritt hinnehmen mußte, daß das Niveau, wie immer bei Fragen aus dem Publikum, schlagartig absackte. Dazu kam, daß Allan Albright sie die ganze Zeit stirnrunzelnd ansah, so, als könnte sie Einfluß darauf nehmen, daß intelligentere Fragen gestellt wurden! Während der Lesung hatte sein lebhaftes Mienenspiel in der ersten Reihe sie irritiert – als wäre es seine Aufgabe, Ruth bei ihrer eigenen Lesung zu unterhalten!
    Die erste Frage war unverhohlen aggressiv; damit wurde ein Ton angeschlagen, von dem sich auch die nachfolgenden Fragen und Antworten nicht mehr freimachen konnten.
    »Warum wiederholen Sie sich ständig?« fragte ein junger Mann die Autorin. »Oder ist das unbeabsichtigt?«
    Ruth schätzte ihn auf Ende Zwanzig. Zugegeben, der Zuschauerraum war nicht hell genug beleuchtet, als daß sie sein Gesicht deutlich hätte sehen können, zumal er ziemlich weit hinten im Saal saß, aber so, wie sich seine Stimme anhörte, war Ruth überzeugt, daß er höhnisch lächelte.
    Nach drei Romanen war Ruth den Vorwurf gewohnt, daß ihre Figuren von Buch zu Buch »recycled« wurden und daß sich bestimmte »charakteristische Macken« in jedem Roman wiederholten. Vermutlich beschränke ich mich insgesamt wirklich auf relativ wenige Personen, überlegte Ruth. Doch ihrer Erfahrung nach meinten Leute, die einem Autor Wiederholungen vorwarfen, für gewöhnlich irgendeine Einzelheit, die ihnen schon beim ersten Mal mißfallen hatte. Denn was spricht, selbst in der Literatur, gegen eine Wiederholung dessen, was einem gefallen hat?
    »Vermutlich meinen Sie den Dildo«, sagte Ruth vorwurfsvoll zu dem jungen Mann. Auch in ihrem zweiten Roman war ein Dildo vorgekommen. Im ersten allerdings hatte kein Dildo (bildlich gesprochen) sein Haupt erhoben – zweifellos ein Versäumnis, wie Ruth fand. Laut sagte sie: »Ich weiß, daß sich viele junge Männer von Dildos bedroht fühlen, aber Sie brauchen wirklich keine Bedenken zu haben, daß diese Dinger Sie jemals vollständig ersetzen können.« Sie wartete ab, bis sich das Gelächter gelegt hatte. Dann fügte sie hinzu: »Und dieser Dildo ist völlig anders als der in meinem letzten Roman. Nicht alle Dildos sind gleich, müssen Sie wissen.«
    »Bei Ihnen wiederholen sich nicht nur die Dildos«, entgegnete der junge Mann.
    »Ja, ich weiß, ›Frauenfreundschaften, die in die Binsen gehen‹ oder ›verloren und wiedergefunden‹«, entgegnete Ruth, der bewußt wurde (allerdings erst nachdem sie es ausgesprochen hatte), daß sie aus Eddie O’Hares weitschweifiger Einführung zitiert hatte. Eddie, der noch immer hinter der Bühne stand, fühlte sich zunächst ungeheuer geschmeichelt; dann überlegte er, ob sie sich vielleicht über ihn lustig machte.
    »Schlimme

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