Witwe für ein Jahr (German Edition)
Widerspenstigkeit veranlaßte Eleanor Holt, die möglichen Ursachen für das irritierende Verhalten ihrer Tochter anderswo zu suchen; sich selbst hätte sie nie für einen Fehler verantwortlich gemacht.
Nie würde Mrs. Dash vergessen, wie Eleanor Holt als Streikposten bei einer Anti-Porno-Kampagne auftrat. Der Pornoladen, der sich an der Peripherie von Riverhead, Long Island, befand, himmelweit von den Hamptons entfernt, gehörte nicht zu denen, die junge ahnungslose und unschuldige Kundschaft anlocken. Er war in einem niedrigen, schindelgedeckten Gebäude mit kleinen Fenstern und einem ramponierten Dach untergebracht. Das Schild an der Tür war unzweideutig:
JUGENDGEFÄHRDENDE BÜCHER & ZEITSCHRIFTEN
ZUTRITT NUR FÜR ERWACHSENE!
Eleanor und ein empörter Trupp kämpferischer Matronen betraten den Laden nur ein einziges Mal. Aufgeregt und mit roten Köpfen machten sie auf dem Absatz kehrt. (»Die Starken tyrannisieren die Schwachen!« erklärte Eleanor dem Reporter einer Lokalzeitung.) Bei den Betreibern des Pornoladens handelte es sich um ein älteres Ehepaar; die beiden hegten seit langem den Wunsch, den trostlosen Wintern auf Long Island zu entfliehen. In dem durch die Kampagne ausgelösten Wirbel beschwatzten sie eine (von Eleanor ins Leben gerufene) Vereinigung besorgter Bürger, das Haus zu kaufen. Doch diese Bürgerinitiative bezahlte nicht nur viel zuviel für die alte Hütte, sie mußte auch noch die … die Bestände entsorgen, wie Mrs. Dash es formulierte.
Als Romanautorin und interessierte Beteiligte erklärte sich Jane Dash bereit, den Wert der Druckerzeugnisse zu schätzen. Eleanors Aufforderung, sich dem Kreuzzug gegen Pornographie anzuschließen, hatte sie vorher höflich abgelehnt – mit der Begründung, sie sei Schriftstellerin und grundsätzlich gegen jede Zensur. Als Eleanor ihr zusetzte und meinte, sie appelliere an Jane »in erster Linie als Frau und erst in zweiter Linie als Schriftstellerin«, war Janes Reaktion sowohl für sie selbst als auch für Eleanor überraschend.
»Ich bin in erster Linie Schriftstellerin«, erklärte sie damals.
Jane bekam Gelegenheit, sich in aller Ruhe mit den pornographischen Machwerken zu beschäftigen. Abgesehen von ihrem »Geldwert« fand sie sie enttäuschend. Mit der kruden Darstellungsweise hatte sie gerechnet. Eleanor Holt offenbar nicht! Aber für viele Leute waren anstößige Dinge etwas Selbstverständliches. Derbe und lüsterne Abbildungen wirkten auf die unterschiedlichsten Menschen animierend; zum Glück pflegte Mrs. Dash keinen Umgang mit solchen Leuten. Zwar hätte sie sich mehr Bildung für einen größeren Teil der Bevölkerung gewünscht, aber zugleich war sie davon überzeugt, daß Bildung etwas war, womit die wenigsten Menschen, die ihr begegneten, etwas anfangen konnten.
Wenigstens beinhaltete das unschöne Warenangebot des definitiv geschlossenen Pornoladens keine Darstellungen von Geschlechtsakten mit Tieren oder minderjährigen Kindern. Mrs. Dash empfand es als leisen Trost, daß derlei Entartungen noch nicht von Manhattan bis nach Suffolk County vorgedrungen waren – zumindest nicht in Zeitschriften- oder Buchform. Reichlich vertreten hingegen waren ziemlich abgedroschene und übertriebene Darstellungen des weiblichen Orgasmus und Fotos von Männern (samt und sonders mit riesigen Penissen), die an den anstrengenden Turnübungen, die sie vollführten, wenig interessiert zu sein schienen. Schlechte schauspielerische Leistung auf beiden Seiten, lautete Jane Dashs Urteil. Sie fand die Nahaufnahmen der unzähligen, sehr unterschiedlichen weiblichen Geschlechtsteile … nun ja, vom klinischen Standpunkt aus interessant. Noch nie hatte sie andere Frauen bis in diese wenig verlockenden Einzelheiten betrachtet.
Zu einer Stellungnahme gedrängt, erklärte Jane den Warenbestand des Pornoladens für wertlosen Schund – es sei denn, die Bürgerinitiative wolle ihre Unkosten dadurch senken, daß sie die Restbestände zu Schleuderpreisen an neugierige Mitbürger verkaufte. Doch so ein Straßenverkauf in Riverhead wäre darauf hinausgelaufen, daß die um die Moral besorgten Bürger die Rolle von Pornovertreibern gespielt hätten. Folglich wurden sämtliche Bücher und Zeitschriften verbrannt – ein Totalverlust.
Mrs. Dash, die sich abermals als »in erster Linie Schriftstellerin« definierte, sagte, sie wolle nichts mit der feierlichen Verbrennung zu tun haben; nicht einmal zusehen wollte sie. Die Regionalzeitungen brachten ein Foto von einem
Weitere Kostenlose Bücher