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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gefragt: »Wie heißt dein Vater eigentlich richtig?« Sie kannten O’Hare senior nur als Minty oder, offiziell, als Mr. O’Hare.
    »Joe«, antwortete Eddie dann. »Joseph E. O’Hare.« Das E. stand für Edward, und so und nicht anders rief Minty seinen Sohn.
    »Ich habe dich nicht Edward genannt, um dich Eddie zu rufen«, erklärte sein Vater in regelmäßigen Abständen. Doch alle anderen, sogar seine Mutter, nannten ihn Eddie. Eines Tages, so hoffte Eddie, würde schlicht Ed ausreichen.
    Bei ihrem letzten gemeinsamen Abendessen, bevor Eddie zu seinem Ferienjob aufbrach, hatte er versucht, ein paar Bemerkungen in die wie immer zusammenhangslose Unterhaltung seiner Eltern einzuflechten, aber es hatte nicht geklappt.
    »Ich war heute in der Sporthalle und habe dort zufällig Mr. Bennett getroffen«, berichtete er. Mr. Bennett war im vergangenen Schuljahr Eddies Englischlehrer gewesen. Eddie mochte ihn sehr gern, denn er hatte im Unterricht einige der besten Bücher durchgenommen, die Eddie je gelesen hatte.
    »Vermutlich dürfen wir uns darauf freuen, den ganzen Sommer über am Strand ihre Achselhöhlen zu sehen. Ich fürchte nur, daß ich doch mal was sage«, verkündete Eddies Mutter.
    »Ich habe sogar ein bißchen Squash mit Mr. Bennett gespielt«, fuhr Eddie fort. »Ich habe ihm gesagt, daß ich es schon immer mal versuchen wollte, und er hat sich die Zeit genommen, ein paar Bälle mit mir zu schlagen. Es hat mir mehr Spaß gemacht, als ich gedacht hätte.« Abgesehen von seinen Verpflichtungen im English Department war Mr. Bennett auch der Squashtrainer der Academy – und auch auf diesem Gebiet recht erfolgreich. Einen Squashball zu schlagen war für Eddie eine Art Offenbarung.
    »Ich glaube, kürzere Weihnachtsferien und eine längere Pause im Frühjahr, das könnte die Lösung sein«, sagte sein Vater. »Ich weiß, daß sich das Schuljahr lange hinzieht, aber es müßte doch eine Möglichkeit geben, dafür zu sorgen, daß die Jungen im Frühjahr mit etwas mehr Schwung an die Sache herangehen, mit etwas mehr Unternehmungsgeist.«
    »Ich bin am Überlegen, ob ich es vielleicht mit Squash versuchen soll, nächsten Winter«, verkündete Eddie. »Im Herbst würde ich trotzdem noch Geländelauf machen. Und im Frühjahr könnte ich Kurzstrecken laufen …« Einen Moment lang schien es, als hätte die Erwähnung von »Frühjahr« die Aufmerksamkeit seines Vaters geweckt, doch es war nur die »Indolenz« dieser Jahreszeit, die Minty in ihrem Bann hielt.
    »Vielleicht bekommt sie vom Rasieren einen Ausschlag«, spekulierte Eddies Mutter. »Nicht, daß ich nicht auch ab und zu einen bekomme, aber das ist keine Entschuldigung.«
    Später spülte Eddie das Geschirr ab, während seine Eltern weiterplauderten. Unmittelbar vor dem Zubettgehen hörte er, wie seine Mutter seinen Vater fragte: »Was hat er über Squash gesagt? Was ist damit?«
    »Wer hat was gesagt?« fragte sein Vater.
    »Eddie!« antwortete seine Mutter. »Eddie hat irgendwas über Squash gesagt und über Mr. Bennett.«
    »Er ist der Squashtrainer«, erklärte Minty.
    »Das weiß ich doch, Joe!«
    »Worauf bezieht sich dann deine Frage, meine liebe Dorothy?«
    »Was hat Eddie über Squash gesagt?« wiederholte Dot.
    »Sag du es mir«, entgegnete Minty.
    »Also wirklich, Joe«, sagte Dot, »manchmal frage ich mich, ob du jemals zuhörst.«
    »Meine liebe Dorothy, ich bin ganz Ohr«, behauptete der alte Langweiler. Darüber mußten beide herzlich lachen. Sie lachten noch, als Eddie schleppend die erforderlichen Vorbereitungen zum Zubettgehen traf. Plötzlich war er so müde – so indolent vermutlich –, daß er sich nicht vorstellen konnte, sich die Mühe zu machen, seinen Eltern zu erklären, was er gemeint hatte. Wenn sie eine gute Ehe führten, und allem Anschein nach war es so, konnte Eddie sich ausmalen, daß viel für eine schlechte Ehe sprach. Er sollte bald Gelegenheit haben, diese Theorie zu überprüfen, gründlicher, als er ahnte.
    Die Tür im Boden

    Auf der Fahrt nach New London, die übertrieben gründlich geplant worden war – wie Marion waren sie viel zu früh zu der anvisierten Fähre aufgebrochen –, verfuhr sich Eddies Vater in der Nähe von Providence.
    »War das ein Fehler des Piloten oder des Navigators?« fragte Minty fröhlich. Es war beides. Eddies Vater hatte so viel geredet, daß er nicht genügend auf die Strecke geachtet hatte; Eddie, der als »Navigator« fungierte, hatte sich nur mit größter Mühe wachgehalten, so daß er

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