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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wie Wim Jongbloed ihretwegen russisches Roulett spielt, aber was dachte sie sich eigentlich dabei, als sie mit ihm in den Rotlichtbezirk ging und beinahe willkürlich erst eine und dann eine andere Prostituierte ansprach und sie fragte, ob es möglich sei, sie mit einem Freier zu beobachten. Ruth hatte Wim zwar erklärt, daß es sich dabei um eine rein hypothetische Frage handle – sie habe nicht den Wunsch, einer Prostituierten wirklich beim Akt (oder den Akten) zuzuschauen –, aber die Prostituierten, die von Ruth und Wim angesprochen wurden, mißverstanden die Anfrage entweder oder interpretierten sie bewußt falsch.
    Die Frauen aus Kolumbien und der Dominikanischen Republik, die die Fenster und Türen um den Oudekerksplein bevölkerten, erschienen Ruth nicht geeignet, weil sie vermutlich nicht genug Englisch verstanden, was auch der Fall war; und Wim bestätigte ihr, daß ihre Holländischkenntnisse noch armseliger waren. In einer offenen Tür am Oudekennissteeg stand eine phantastisch aussehende Blondine, die jedoch weder Englisch noch Holländisch sprach. Wim behauptete, sie sei Russin.
    Endlich entdeckten sie eine thailändische Prostituierte in einem Souterrainzimmer am Barndesteeg. Die junge Frau war untersetzt, hatte schlaffe Brüste und einen Kugelbauch, aber ein erstaunliches, mondförmiges Gesicht, einen sinnlichen Mund und wunderschöne, große Augen. Sie schien zunächst ganz passabel Englisch zu sprechen, als sie Ruth und Wim durch ein Labyrinth halb unterirdischer Räume führte, wo sie buchstäblich von einem ganzen Dorf thailändischer Frauen mit neugierigen Blicken verfolgt wurden.
    »Wir sind nur hier, um mit ihr zu reden «, sagte Wim wenig überzeugend.
    Die kompakte Prostituierte führte sie in einen spärlich beleuchteten Raum, der nichts enthielt außer einem Doppelbett, über das eine schwarz-orangerote Tagesdecke mit einem brüllenden Tiger gebreitet war. In der Mitte der Tagesdecke, teils auf dem aufgerissenen Tigermaul, lag ein grünes Handtuch, das Bleichmittelflecken aufwies und leicht zusammengeschoben war, so, als hätte die plumpe junge Frau gerade noch darauf gelegen.
    Alle Räume, die an dem Gang unter der Erde lagen, waren durch Wände abgeteilt, die nicht bis an die Decke reichten; und über diese dünnen Trennwände kroch das Licht aus anderen, heller erleuchteten Abteilen. Sie bebten, sobald eine Prostituierte den Bambusvorhang herunterließ, der die Tür ersetzte; unter dem Vorhang konnte Ruth die nackten Füße von anderen Prostituierten draußen auf dem Gang vorbeitappen sehen.
    »Wer will erst zuschauen?« fragte die Thailänderin.
    »Nein, Sie haben uns falsch verstanden«, erklärte Ruth. »Wir möchten von Ihnen hören, welche Erfahrungen Sie mit Paaren gemacht haben, die Sie mit einem Freier beobachten wollten.« Da es in dem winzigen Raum nirgends eine Möglichkeit gab, sich zu verstecken, fragte Ruth weiter: »Wir möchten wissen, wie Sie es anstellen würden. Wo könnte jemand stehen, der zuschauen will?«
    Die untersetzte Thailänderin zog sich aus. Sie trug ein orangerotes, ärmelloses Futteralkleid aus einem dünnen, geschmeidigen Stoff. Es hatte am Rücken einen Reißverschluß, den sie sehr behende aufmachte. Sie streifte die Träger von den Schultern und schlängelte sich aus dem Kleid, das sie über die Hüften nach unten schob. Noch bevor Ruth etwas sagen konnte, stand sie nackt vor ihnen. »Du kannst dich auf eine Seite vom Bett setzen«, sagte sie zu Ruth, »und ich leg mich mit ihm auf die andere Seite.«
    »Nein …«, versuchte Ruth es erneut.
    »Oder du kannst stehenbleiben – wie du willst.«
    »Und was ist, wenn wir alle beide zuschauen wollen?« fragte Wim, aber das verwirrte die Prostituierte nur noch mehr.
    »Beide zuschauen?« fragte sie.
    »Nicht wirklich«, sagte Ruth. »Aber wenn wir beide zuschauen wollten, wie würden Sie es anstellen?«
    Die nackte Frau seufzte. Sie legte sich auf das Handtuch. Auf dem Rücken liegend nahm sie die ganze Breite des Handtuchs ein. »Wer will erst zuschauen?« fragte sie. »Das kostet natürlich ein bißchen mehr …« Ruth hatte ihr bereits fünfzig Gulden gegeben.
    Flehend breitete die stämmige Thailänderin die Arme aus. »Ihr wollt es beide machen und zuschauen?« fragte sie.
    »Nein, nein!« sagte Ruth unwillig. »Ich möchte nur wissen, ob Ihnen schon mal jemand zugeschaut hat und wie das vor sich gegangen ist.«
    Die Frau, sichtlich durcheinander, deutete nach oben. »Jetzt schaut jemand zu –

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