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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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mit Wachs entfernt hatte, verstärkte ihre sexuelle Ausstrahlung. Der blonde Flaum, über den Hannah immer wieder mit der Zungenspitze strich, verlieh ihr etwas Sinnliches, das bei Eddie, unverhofft und ungewollt, eine gewisse Erregung hervorrief. Eddie hatte sich von Hannah nie sexuell angezogen gefühlt, und das war auch jetzt nicht der Fall; aber wenn sie weniger auf ihr Äußeres achtete, kam ihre sexuelle Ausstrahlung ungehemmter zum Ausdruck. Sie war immer dünn gewesen, mit langer Taille und hohen, kleinen, wohlgeformten Brüsten, und wenn sie ihrem schlampigen Naturell nachgab, verstärkte sich das an ihr, worauf sie (letzten Endes) am wenigsten stolz war: Hannah erweckte primär den Eindruck, als wäre sie dafür geschaffen, mit einem Mann nach dem anderen ins Bett zu gehen – immer wieder mit einem anderen. (Alles in allem flößte sie Eddie in dieser Beziehung Angst ein, vor allem in Zeiten, in denen sie ohne Freund war.)
    »Ein beschissener holländischer Polizist! Kannst du dir das vorstellen?« fragte Hannah.
    Ruth hatte beiden nicht mehr gesagt, als daß sie Harry das erste Mal bei einer Autogrammstunde gesehen und daß er sich später in der Halle ihres Hotels vorgestellt hatte. Hannah war ganz empört, weil Ruth sich gar nichts dabei dachte, daß Harry ein pensionierter Polizist war. (Darauf, daß er viel las, hatte sie mehr Wert gelegt.) Er war fast vierzig Jahre lang Kontaktbeamter im Rotlichtbezirk gewesen, aber Ruth hatte lediglich gesagt, daß er jetzt ihr Polizist war.
    »Was für eine Beziehung hat so ein Kerl eigentlich zu den Nutten?« hatte Hannah Eddie gefragt, der sich so gut wie möglich aufs Fahren konzentrierte; er brachte es nicht fertig, nicht hin und wieder zu Hannah hinüberzusehen. »Ich kann es nicht ausstehen, wenn Ruth mich anlügt oder nicht die ganze Wahrheit sagt«, meinte Hannah. »Sie ist eine ausgezeichnete Lügnerin. Aber schließlich ist es auch ihr Scheißjob, sich Lügen auszudenken, habe ich recht?«
    Wieder sah Eddie sie aus den Augenwinkeln an, hätte sie aber nie unterbrochen, solange sie wütend war. Eine wütende Hannah war ein Anblick, den Eddie über alles liebte.
    Hannah lümmelte auf dem Beifahrersitz, der Anschnallgurt, der genau zwischen ihren Brüsten verlief, drückte die rechte so platt, daß sie buchstäblich verschwand. Aus den Augenwinkeln sah Eddie, daß Hannah keinen BH trug. Sie hatte einen hautengen, weichen Seidenpullover an, der an den Armbündchen ausgefranst war; der Rollkragen hatte alle Elastizität, die er einmal besessen haben mochte, eingebüßt. So schlaff, wie er um Hannahs Hals hing, betonte er noch ihre Magerkeit. Ihre linke Brustwarze zeichnete sich deutlich ab, da der Gurt den Pullover über ihrer Brust spannte.
    »Ich habe Ruth noch nie so glücklich erlebt«, sagte Eddie tiefbetrübt; als er daran dachte, wie überschwenglich sie am Telefon geklungen hatte, hätte er vor Schmerz am liebsten die Augen geschlossen, aber schließlich mußte er fahren. Das morbide Ocker der sonnenverbrannten Blätter erinnerte ihn auf morbide Weise daran, daß die Zeit der Laubfärbung vorbei war. Würde seine Liebe zu Ruth auch dahinwelken?
    »Sie ist ganz verknallt in den Kerl, das ist verdammt offensichtlich«, sagte Hannah. »Aber was wissen wir über ihn? Und was weiß Ruth wirklich über ihn?«
    »Vielleicht ist er ja hinter ihrem Geld her«, meinte Eddie.
    »Scheiße, nein!« rief Hannah. »Natürlich wäre das möglich! Polizisten verdienen doch nichts, es sei denn, sie sind bestechlich.«
    »Er ist so alt, wie Allan war«, sagte Eddie. Daß Ruth sich so glücklich angehört hatte, überzeugte Eddie halbwegs davon, daß er nicht, oder nicht mehr, in sie verliebt war. Es war alles sehr verwirrend. Erst wenn er Ruth mit ihrem Holländer sah, würde er wirklich wissen, was er für sie empfand.
    »Ich war nie mit einem Harry befreundet«, sagte Hannah. »Ist ja nicht so, als hätte ich gar keine Maßstäbe.«
    »Ruth sagte, er kann phantastisch mit Graham umgehen«, hielt Eddie dagegen. »Was immer das heißt.« Er wußte, daß er Ruth in dieser Beziehung enttäuscht hatte. Er war nur dem Namen nach Grahams Pate. (Seit er damals einen ganzen Tag mit Ruth verbracht hatte, als sie noch ein Kind war, und bestimmt auch, weil ausgerechnet an diesem Tag Ruths Mutter fortgegangen war, fühlte sich Eddie im Beisein von Kindern stets völlig hilflos und niedergeschlagen.)
    »Ruth würde sich von jedem verführen lassen, der ›phantastisch mit Graham

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