Witwe für ein Jahr (German Edition)
Schränke für ihre Kleider brauchte. Aber Eddie hatte sich nüchtern überlegt, daß er mit dem größten Gästezimmer am Ende des Flurs zufrieden wäre. (Schließlich hatte er mit Marion dort geschlafen.)
Und in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters seiner meisten Freundinnen ging er davon aus, daß er Ted Coles ehemalige Werkstatt (und Allans späteres Arbeitszimmer) im Erdgeschoß über kurz oder lang in ein Schlafzimmer umwandeln würde, denn den etwas gebrechlichen und schwächlichen älteren Damen konnte man nicht zumuten, Treppen zu steigen.
Eddie wußte intuitiv, daß Hannah ihm erlauben würde, den ehemaligen Squashcourt in der Scheune als Arbeitszimmer zu nutzen; der Gedanke, daß er auch Ruth als Arbeitszimmer gedient hatte, gefiel Eddie. Seit Ted sich dort umgebracht hatte, war die Scheune für Hannah tabu. Nicht, daß sie so etwas wie ein Gewissen gehabt hätte, aber sie war abergläubisch. Abgesehen davon würde sie das Haus nur an den Wochenenden und im Sommer nutzen, während Eddie ganz dort wohnen wollte. Nur weil er hoffte, daß Hannah die meiste Zeit nicht dasein würde, konnte er sich überhaupt der Illusion hingeben, daß es möglich sein müßte, mit ihr gemeinsam ein Haus zu bewohnen. Aber er ging ein enormes Risiko ein.
»Ich sagte, ich habe mir was überlegt«, wiederholte Eddie. Hannah hatte nicht zugehört.
Während sie die vorbeiziehende Landschaft betrachtete, verhärtete sich ihr Gesicht; aus der verächtlichen Gleichgültigkeit wurde unverhohlene Aggression. Als sie die Staatsgrenze nach Vermont überquerten, wurde sie bei dem Gedanken an die Jahre in Middlebury von blankem Haß gepackt, so, als hätten sowohl das College als auch der Staat Vermont ihr einen unverzeihlich schlechten Dienst erwiesen. Ruth freilich hätte behauptet, der Hauptgrund für die vier aufreibenden und deprimierenden Jahre, die Hannah in Middlebury verbracht hatte, sei ihre Herumschlaferei gewesen.
»Dieses verdammte Vermont«, sagte Hannah.
»Ich habe mir was überlegt«, wiederholte Eddie noch einmal.
»Ich auch«, entgegnete Hannah. »Oder dachtest du, ich bin eingeschlafen?«
Bevor Eddie antworten konnte, kam das Kriegerdenkmal von Bennington in Sicht; es erhob sich wie ein gewaltiger Stachel hoch über die Gebäude der Stadt und die Hügel der Umgebung. Das Bennington Battle Monument war ein an den Seiten abgeflachter, behauener Obelisk, der an die Niederlage erinnerte, die die Green Mountain Boys den Briten beigebracht hatten. Hannah hatte ihn schon immer scheußlich gefunden.
»In dieser Scheißstadt kann man unmöglich leben«, sagte sie zu Eddie. »Sooft du dich umdrehst, steht dieser riesige Phallus über dir! Die Kerle, die hier leben, müssen doch allesamt einen Megaschwanz-Komplex kriegen.«
Einen Megaschwanz-Komplex? dachte Eddie. Er empfand Hannahs ebenso dumme wie ordinäre Bemerkung als kränkend. Wie konnte er jemals daran gedacht haben, mit ihr gemeinsam ein Haus zu bewohnen?
Die derzeitige ältere Frau in Eddies Leben – eine platonische Beziehung, aber wie lange noch? – war Mrs. Arthur Bascom. In Manhattan kannten sie noch immer alle unter diesem Namen, obwohl ihr letzter Mann, der Philanthrop Arthur Bascom, schon vor langer Zeit gestorben war. Mrs. Arthur Bascom, »Maggie« für Eddie und ihren intimsten Freundeskreis, hatte das philanthropische Wirken ihres verstorbenen Mannes fortgesetzt; doch bei den nicht abreißenden Wohltätigkeitsgalas wurde sie nie anders als in Begleitung deutlich jüngerer, unverheirateter Männer gesehen. In den vergangenen Monaten hatte Eddie die Rolle von Maggie Bascoms Begleiter gespielt. Er vermutete, daß sie ihn wegen seiner sexuellen Zurückhaltung auserkoren hatte. In letzter Zeit war er da nicht mehr so sicher; vielleicht war es trotz allem seine sexuelle Aufgeschlossenheit, die die alte Dame gereizt hatte. Vor allem in seinem letzten Roman, Eine schwierige Frau, hatte er liebevoll und bis in alle Einzelheiten die sexuellen Aufmerksamkeiten geschildert, die der jüngere Mann der älteren Frau zuteil werden läßt. (Maggie Bascom war einundachtzig.)
Doch wie auch immer Mrs. Bascoms spezifisches Interesse an Eddie beschaffen sein mochte – es wäre völlig undenkbar gewesen, sie in sein und Hannahs Haus in Sagaponack einzuladen, wenn Hannah anwesend war. Hannah würde nicht nur nackt im Pool schwimmen, sondern wahrscheinlich den Farbunterschied zwischen ihrem aschblonden Kopfhaar und ihrem dunkelblonden Schamhaar erörtern wollen –
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