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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Anwesen noch nicht verkauft war, gab ihm nur einen winzigen Funken Hoffnung, da es für ihn unerschwinglich war. Immobilien auf der dem Meer zugewandten Seite des Montauk Highway waren zu teuer für Eddie, der sich die Hamptons nur leisten konnte, wenn er weiterhin auf der falschen Seite des Highways wohnte. Schlimmer war, daß Eddies zweigeschossiges, mit grauen Ziegeln gedecktes Haus in der Maple Lane zudem nur ein paar hundert Meter von dem verfallenen Bahnhof von Bridgehampton entfernt lag. (Die Eisenbahnlinie war nach wie vor in Betrieb, aber vom Bahnhofsgebäude standen nur noch die Grundmauern.)
    Eddie blickte auf die überdachten Veranden seiner Nachbarn und ihren sonnenverbrannten Rasen, auf ihre miteinander wetteifernden Grillorgien und die Fahrräder ihrer Kinder; ein himmelweiter Unterschied zu einem Meerblick. Auch das Donnern der Brandung konnte Eddie so weit landeinwärts nicht hören; statt dessen hörte er knallende Fliegengittertüren, streitende Kinder und Eltern, die ihre Kinder verärgert anbrüllten; und Hunde hörte er, bellende Hunde. (Seiner Meinung nach gab es in Bridgehampton viel zu viele Hunde.) Aber vor allem hörte Eddie die Züge.
    Sie fuhren so dicht an seinem Haus auf der Nordseite der Maple Lane vorbei, daß Eddie es aufgegeben hatte, den kleinen Garten hinter dem Haus zu nutzen; er hatte seinen Grill vorne auf der Veranda aufgestellt, wo irgendwann Fett, das Feuer gefangen hatte, einen Teil der Schindeln angesengt und die Verandalampe geschwärzt hatte. Die Züge fuhren so dicht am Haus vorbei, daß Eddies Bett wackelte; er merkte es sogar, wenn er tief schlief, was selten der Fall war. Das Wandregal, in dem er seine Weingläser aufbewahrte, hatte er mit einer Tür versehen, weil die durch die Züge verursachte Vibration die Gläser sonst heruntergeworfen hätte. (Obwohl Eddie ausschließlich Cola light trank, zog er es vor, es aus einem Weinglas zu trinken.) Wegen der unmittelbaren Nähe zu den Gleisen wurden ständig Hunde aus der Nachbarschaft überfahren; aber wie es schien, wurden sie durch noch lautere und noch aggressivere Hunde ersetzt, die die Züge noch kräftiger und vorwurfsvoller anbellten als ihre Vorgänger.
    Verglichen mit Ruths Haus besaß Eddie einen Hundezwinger an der Bahntrasse. Er war tief betrübt, nicht nur, weil Ruth von hier wegzog, sondern auch, weil das Denkmal, das ihn an den sexuellen Zenit seines Lebens erinnerte, zum Verkauf stand und er es sich nicht leisten konnte. Er hätte niemals Ruths Freundschaft oder ihr Mitgefühl ausgenutzt; nicht im Traum hätte er daran gedacht, sie zu bitten, ihm zuliebe mit dem Preis herunterzugehen.
    Allerdings hatte er davon geträumt – und das beschäftigte ihn auch tagsüber –, Hannah vorzuschlagen, das Haus mit ihm zusammen zu erstehen. Diese gefährliche Mischung aus Wunschdenken und Verzweiflung stand in traurigem Einklang mit Eddies Charakter. Er mochte Hannah nicht, und sie mochte ihn nicht; und doch wünschte er sich das Haus so sehnlich, daß er ihr den Vorschlag machen wollte, es gemeinsam zu kaufen!
    Armer Eddie. Er wußte, daß Hannah eine alte Schlamperin war. Er hingegen verabscheute Schmutz und Unordnung so sehr, daß er seine Zugehfrau nicht nur dafür bezahlte, daß sie einmal in der Woche sein bescheidenes Haus putzte, sondern auch dafür, daß sie die fleckigen Topflappen durch neue ersetzte (und nicht etwa nur wusch). Und die Geschirrtücher mußte sie nach dem Waschen auch noch bügeln. Dazu kam, daß Eddie Hannahs Freunde nicht ausstehen konnte – schon lange vor dem vorhersehbaren Zeitpunkt, zu dem auch Hannah sie nicht mehr ertragen konnte.
    Eddie hatte sich bereits ausgemalt, daß Hannahs Kleidungsstücke überall im Haus herumliegen würden (von ihrer Unterwäsche ganz zu schweigen). Sie würde nackt im Pool schwimmen und bei offener Tür die Dusche im Garten benutzen. Sie würde Eddies Reste aus dem Kühlschrank wegwerfen oder aufessen, während ihre eigenen vermutlich Schimmel ansetzten und vergammelten, bevor Eddie es übernahm, sie wegzuwerfen. Hannahs Hälfte der Telefonrechnung wäre bestürzend hoch, und bestimmt mußte Eddie sie ganz bezahlen, weil Hannah einen Auftrag in Dubai (oder sonstwo) hatte, wann immer irgendwelche Rechnungen eintrafen. (Außerdem würden ihre Schecks regelmäßig platzen.)
    Voraussichtlich würde sie sich mit Eddie auch um das Elternschlafzimmer streiten und gewinnen – mit dem Argument, daß sie das Kingsize-Bett für ihre Freunde und die vielen

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