Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
in Richtung Westen war. »Leck mich am Arsch!« brüllte Eddie, ohne jemand Bestimmten zu meinen.
    Im Ernst: Es wurde Zeit, daß er drüber wegkam. Aber Eddie würde nie über Marion hinwegkommen. Er wußte, daß das unmöglich war.
    Marion mit sechsundsiebzig

    Die Maple Lane ist, getreu ihrem Namen, der halben Länge nach mit Dutzenden alter Ahornbäume gesäumt. Dazwischen stehen noch einige andere Bäume, ein paar Eichen, mehrere hübsch anzusehende Bradford-Birnbäume. Von Osten kommend gewinnt man einen positiven Eindruck. Die Maple Lane präsentiert sich als schattige Kleinstadtstraße.
    Die Autos stehen in den Einfahrten – einige Anwohner parken auch auf der Straße unter den Bäumen –, und ein Fahrrad, Dreirad oder Skateboard hie und da deuten darauf hin, daß es hier Kinder gibt. Alles kündet von gutsituierter, wenn auch nicht wohlhabender Mittelschicht. Die Hunde kündigen sich leider selbst an – und das zu laut. Sie schützen und bewachen den Kern von Eddies Wohnviertel mit einer Aufmerksamkeit, die dem Außenstehenden oder dem zufälligen Passanten suggeriert, daß diese bescheiden wirkenden Häuser mit ungleich mehr Reichtümern vollgestopft sind, als man annehmen möchte.
    Geht man auf der Maple Lane nach Westen, zweigt nach Süden die Chester Street mit ebenso hübschen, reizvoll von Bäumen überschatteten Häusern ab. Doch dann, fast genau auf halber Höhe der Maple Lane – dort, wo die Corwith Avenue nach Süden zur Main Street führt –, ändert sich der Gesamteindruck schlagartig.
    Die Nordseite der Straße bekommt ein ganz und gar industrielles Gesicht. Von Eddies Veranda aus sieht man NAPA AutoErsatzteile und einen John-Deere-Vertragshändler – beide in einem langgestreckten, häßlichen Gebäude untergebracht, das den Charme eines Geräteschuppens verströmt. Daneben sind, in einem kaum weniger häßlichen Fertigteilklotz, Gregory Electric und, in einem relativ gutaussehenden modernen Bau, Iron Horse Graphics untergebracht. Der kleine Ziegelbau, der Battle Iron and Bronze beherbergt, ist ausgesprochen hübsch, bis auf die Tatsache, daß sich davor – wie vor all diesen Gebäuden – ein weitläufiger, ungepflegter Parkplatz erstreckt, eine eintönige Schotterfläche. Im Anschluß an dieses Industriegelände kommt endlich das besondere Merkmal der Maple Lane: die Gleise der Long Island Rail Road, die parallel zur Straße, einen Steinwurf nördlich davon, verlaufen.
    Auf einer unbebauten Fläche türmen sich Schienenstücke zu einem wackeligen Stapel, und hinter den Gleisen sieht man aufgeschüttete Sand-, Humus- und Kieshaufen – das Materiallager der Hamptons Materials, Inc., wie auf einem Schild deutlich zu lesen steht.
    Auf der Südseite der Maple Lane zwängen sich nur einige wenige Wohnhäuser zwischen die kommerziell genutzten Gebäude, die unter anderem die Büros des Hampton Tank and Gas Service beherbergen. Danach bröckelt diese Straßenseite völlig ab. Es folgen noch ein paar schäbige Sträucher, kahles Gelände, noch mehr Kies und, vor allem in den Sommermonaten oder an Ferienwochenenden, eine Reihe im rechten Winkel zur Straße parkende Autos. Manchmal, allerdings nur selten, erstreckt sich diese Autoreihe auf über hundert Meter, aber an diesem trostlosen Sonntagabend am Ende des langen Thanksgiving-Wochenendes parken hier nur wenige Autos. Es sieht aus wie bei einem Gebrauchtwagenhändler, der Pleite gemacht hat. Ohne Autos wirken die Parkplatzflächen nicht nur verwaist, sondern ausgesprochen trostlos. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch den verfallenen Bahnhof von Bridgehampton am armseligen Nordende der Straße.
    Seine Grundmauern sind geborsten. Zwei kleine Fertigteilschuppen bilden einen lächerlichen Ersatz für das Bahnhofsgebäude. Davor stehen zwei Bänke. (An diesem kalten, nassen Sonntagabend Ende November sind beide leer.) Eine ungepflegte Ligusterhecke, sozusagen als Deckmäntelchen gepflanzt, soll den desolaten Zustand der einst florierenden Eisenbahnlinie kaschieren. Die einsamen Überreste des Bahnhofs, ein freistehendes öffentliches Telefon und ein geteerter Bahnsteig, der sich fünfzig Meter an den Gleisen entlangzieht … für Bridgehampton mit seinen überwiegend wohlhabenden Einwohnern zählt das als Eisenbahnstation.
    Auf diesem armseligen Stück der Maple Lane besteht der Straßenbelag aus ausgebessertem Asphalt, der auf den ursprünglichen Beton aufgebracht wurde. Die Straßenränder gehen, ohne deutliche Abgrenzung, in Schotter

Weitere Kostenlose Bücher